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FLESHGOD APOCALYPSE – „Veleno“

FLESHGOD APOCALYPSE – „Veleno“ Label: Nuclear Blast Laufzeit: 51:42 min VÖ: 24.05.2019 Genre: Symphonic Bombastic Technical Death Metal in

FLESHGOD APOCALYPSE – „Veleno“

FLESHGOD APOCALYPSE – „Veleno“

Label: Nuclear Blast

Laufzeit: 51:42 min

VÖ: 24.05.2019

Genre: Symphonic Bombastic Technical Death Metal in seiner eigenen Liga

FLESHGOD APOCALYPSE sind wie ein großer Spiegel: Hier sieht jeder, der mutig und neugierig genug ist, sich vor allem aber voller Begeisterung und ohne jegliche Scheuklappen an harte Musik heranwagt, ein anderes Gesicht. Während die einen ein wunderschönes, melodisches, symphonisches, fein geschnittenes Antlitz erblicken, gruseln sich die Nächsten vor einer überladenen, künstlichen, mit elektronischem Botox und aufplatzenden Samples pseudoklassischen Kitsches verunstalteten hässlichen Fratze.

Und auch mir ergeht es nicht anders. Die geschätzt auf mindestens 10.000 Spuren ausgewalzte Mischung aus In Flames, Dimmu Borgir, aus steriler Symphonie, einschmeichelnden Refrains, fehlerlos glattgebügelten Triggerblastbeatsalven und himmelhoch übereinander gestapelten Kathedralenchören fasziniert mich im einen Moment, um mich im nächsten abgrundtief abzustoßen. Für mich gibt es bei FLESHGOD APOCALYPSE kein Grau, sondern nur Schwarz oder Weiß, aber genau das ist ja das Schöne an dieser Band: Sie erreicht die Gefühle aller Menschen, die sie zu hören bereit sind. Sie begeistert, reißt mit, umarmt, schmerzt, parodiert, lächelt, erbaut, macht nie sprachlos, aber wütend und glücklich.

„Veleno“ nutzt dabei die Methodik, die FLESHGOD APOCALYPSE seit ihrer Geburt 2007 auf bisher vier Alben erproben und perfektionieren konnten. Der Sound ist weitgreifend, bombastisch, voluminös, dunkel, schwer, wolkenverhangen, dabei aber jederzeit transparent und allen Instrumenten gewogen. Und ja, das Schlagzeug klingt kein bisschen echt, sondern ist die Definition von „synthetisch“, ohne jegliches Blut, Schweiß und Tränen, riecht es zu jeder Sekunde unangenehm nach Öl, Kabeln und Leuchtdioden. Die orchestralen Elemente, all die Pianoklänge, Synthieflächen, Chöre und Retortenstreicher werden stilvoll und songdienlich eingesetzt, reißen jedoch in manchen Momenten die Grenze zur unerträglichen Kaugummisüße grandios („Embrace the Oblivion“, „The Day We’ll Be Gone“).

Und doch ist FLESHGOD APOCALYPSE eben so viel mehr als ein großes Stück Zuckerwatte. Die Musik ist hart, manchmal sogar sehr hart, wenn es in den schnellen Momenten mit unnachgiebiger Vehemenz brachial vorantreibt, stürmt und zerrt („Fury“, „Worship and Forget“, „Absinthe“). Und die Hooks und (teilweise ergreifenden weiblichen) Gesangslinien sind und bleiben in diesem Genre unerreicht. Was da bei aller wilden Ballerei und allem Instrumentengeschiebe an erhabenen, majestätischen Gefühlen die Welt aus den Angeln hebt, das ist bunt, emotional erfüllend, magisch („Absinthe“, „Embrace the Oblivion“, „Monnalisa“). Und dazu gibt es grandios melodische Soli voller Rafinesse und Seele („Pissing on the Score“, „Absinthe“, „Monnalisa“).

Fazit: FLESHGOD APOCALYPSE haben mit „Veleno“ ein weiteres Werk voller einzigartiger Musik erschaffen, die sich weit in den Himmel erhebt, die mit Gefühl, Massivität, Eingängigkeit und majestätischer Kraft erstrahlt. Das wird und kann ob seiner glatten und künstlichen Atmosphäre nicht jeden Geschmack treffen und dürfte etliche Menschen sogar abstoßen, bei allem subjektiven inneren Magnetismus muss man FLESHGOD APOCALYPSE jedoch zugestehen: Das ist durchdacht, das ist emotional, das ist kompakt, das ist hochklassig gespielt und produziert. Das ist berührende Kunst.

Liederliste:

1. Fury (4:38)
2. Carnivorous Lamb (4:39)
3. Sugar (4:17)
4. The Praying Mantis’ Strategy (1:04)
5. Monnalisa (5:24)
6. Worship and Forget (4:32)
7. Absinthe (6:09)
8. Pissing on the Score (4:30)
9. The Day We’ll Be Gone (5:58)
10. Embrace the Oblivion (7:49)
11. Veleno (2:42)