Allgemein Live Musik Reviews Tipp der Redaktion

BEHEMOTH: Merry Christless 2018 – Batushka, Bölzer, Imperator, Untervoid – 16.12.2018, Wroclaw, A2

Merry Christless 2018 – BEHEMOTH, Batushka, Bölzer, Imperator, Untervoid – 16.12.2018, Wroclaw, A2 Centrum Koncertowe! Zunächst als fixe Idee

BEHEMOTH: Merry Christless 2018 – Batushka, Bölzer, Imperator, Untervoid –  16.12.2018, Wroclaw, A2

Merry Christless 2018 – BEHEMOTH, Batushka, Bölzer, Imperator, Untervoid – 16.12.2018, Wroclaw, A2 Centrum Koncertowe!

Zunächst als fixe Idee geboren, veranstalten BEHEMOTH als Gastgeber 2017 an zwei Tagen in Warschau das erste Merry Christless und ihrem Ruf folgten damals Masters Hammer, Mgła, Infernal War und In Twilight’s Embrace. Die beiden Tage werden ein voller Erfolg und so laden BEHEMOTH 2018 zum erneuten Merry Christless ein. Dieses Mal geht es an drei Tagen in drei verschiedene Städte und auch Metalglory.com darf, nein, muss dabei sein!

Winterzeit, es ist kalt und dunkel in einem tristen Industriegebiet nicht weit vom Zentrum in Wroclaw zur Vor-CHRISTMESS-zeit im immer noch erzkatholischen Polen. Graue Betonblöcke, leere Parkplätze, ein großer Lagerhallenkomplex. Ein kleines gelbes Schild „A2“ über der Eingangstür und ein Nightliner ein paar Meter abseits, mehr weist nicht auf das Centrum Koncertowe hin – in dem an diesem Sonntagabend ein absolut denkwürdiges Konzert stattfinden wird. Es ist noch Zeit, und im gleich neben der Konzerthalle gelegenen Sportzentrum verkaufen die freundlichen Damen an der Rezeption auch Bier an deutsche Konzerttouristen. Noch etwas aufgewärmt, und dann geht es ab in die Halle. Das Innere versprüht den Charme einer Fabrikhalle, aber alles ist klar strukturiert und sauber, nur verdammt kalt ist es. Dennoch herrscht Andrang bei der Abgabe der Winterklamotte an der „Szatnia“ (Garderobe).

Keine Stunde nach dem Einlass wird es aber viel wärmer, und das liegt nicht nur an den immer mehr hereinströmenden Menschen, sondern an der ersten Band.

UNTERVOID – Die progressiven Starter!

 

Punkt 17.45 Uhr entern die live mit zwei Musikern verstärkten Herren Destroyer (u.a. ex-HATE) und A. (u.a. LOST SOUL) die Bühne und schauen auf die Meute davor. Die hat sich schon zahlreich eingefunden und begeistert sich von der ersten Sekunde an lautstark für die nicht gerade leichte Kost. Geboten wird extreme Musik im Spannungsfeld von Black und Death Metal, und gerne kann auch ein Post als Charakteristikum hinzugefügt werden. Die Musik glänzt mit unvorhersehbaren Wendungen und Überraschungen auf allen Ebenen. Da gibt es rasende Riffs, Blastbeats und wütende Growls und ebenso epische Mächtigkeit, emotionale Schwärze und ergreifenden Klargesang. Da pendeln die Riffs zwischen Thrash, melodischen Leads und disharmonischem Sturm – als ob Bands wie Dekadent & Disillusion aufeinander treffen würden. Das fordert und begeistert gleichermaßen, was auch daran liegt, dass es bei aller Komplexität nicht an fetten Grooves mangelt und zudem alles unglaublich tight auf den Punkt gespielt wird. Das alles gipfelt neben dem massiven Brecher „Radiant Divinity“ im finalen „Inner Shrine“, das sich langsam zu einer mitreißenden emotionalen Achterbahn steigert und die Zuschauer mit einer tiefen Schwärze umhüllt. Die bedanken sich lautstark nach der eher kurzen, aber sehr guten halben Stunde Spielzeit. UNTERVOID – das großartige Musik von Musikern, die über den Tellerrand schauen. Die muss man auf jeden Fall im Auge behalten.

 

IMPERATOR – Die Rückkehr der Helden!

 

Vorweg: Die Rückkehr der polnischen Death-Metal-Legende IMPERATOR aus Lodz auf die Bühne nach über 20 Jahren Heldenruhe ist nichts weniger als ein Triumphzug, obwohl sie 1991 (!) lediglich ein offizielles Album veröffentlicht haben. Dennoch oder gerade deswegen hatten sich zahlreiche Fans (ob jung oder alt) gefragt, warum sie bereits als zweite Band für eine knappe Dreiviertelstunde auftreten mussten. Aber nun.
Bei dem Namen und dem gewissen Status durfte man eine solch brutale Eroberung nicht erwarten, tief in seinem römischen, polnischen, internationalen Death-Metal-Herz aber sehnlichst erhoffen. Von der ersten Sekunde an zeigen die zwei alten Herren an den Gitarren und ihre beiden jungen Mitstreiter an Bass und Schlagzeug (Gambit, u.a. Vocals bei Truchlo Strzygi!), dass IMPERATOR noch immer eine Macht sind. Herr Bariel rammt uns nicht nur im Sekundentakt feiste Riffs in die Ohren, sondern begeistert auch mit einer unglaublich kraftvollen Stimme, mit der er diabolisch grinsend seine Botschaften lautstark und energetisch aus seinem tiefsten Inneren heraus presst. Immer wieder gibt es lautstarke „IMPERATOR“-Rufe, und den Herren ist deutlich anzusehen, wie sehr sie ihre Rückkehr auf die Bühne und den Jubel der Menge genießen. Ich sehe nur glückliche Gesichter um mich herum, und manch Silberrücken kann seine Rührung darüber nicht verbergen, dass er seine Helden der Jugend noch einmal in natura erleben darf. Die Klassiker der Band wie „Necronomicon“ oder das finale „Swieta Wojna (Holy War)“ erhalten durch den druckvollen Sound eine echte Frischzellenkur und erstrahlen in einer ganz neuen Härte und Brachialität. Am Ende gibt es frenetische Ovationen und die Hoffnung, dass es nicht wieder so viele Jahre dauern möge, diese noch immer agilen und motivierten Musiker auf der Bühne zu sehen, denn Bariel hat sich zumindest mit den Worten „do zobaczenia“ verabschiedet, also sinngemäß „see you soon“!

 

BÖLZER – Das Duo im Nebel!

 

Als nächste entern BÖLZER die Bühne. Als einzige nicht-polnische-Band an diesem Abend ist es für die beiden Schweizer Herren eine besondere Ehre, eingeladen worden zu sein. Diese Ehre erweist sich allerdings auch als Bürde, denn es dauert seine Zeit, die zunächst sehr verhaltene polnische Crowd auf seine Seite zu ziehen. Herr Jones und Herr Wyrsch verbergen sich in einem nahezu alles verschlingenden Nebel und dunkel eingestellten Licht und sind daher nur als wabernde Schemen wahrzunehmen. Aus diesem Nebel wälzt sich ihr Doom-Black-Death Metal als massive, undurchdringliche, tonnenschwere Soundwand auf uns Zuschauer hinab, durchdringt uns, packt uns an Kehle und Genick, quillt in die Schädel und setzt sich dort unbarmherzig fest. Mit dem verhallten Gesang, den aufgetürmten Riffgebirgen und einem so wuchtigen wie stoischen Trommelfeuer erzeugen BÖLZER eine unheilvolle, mystische Aura, die vor allem eines ist: intensiv. Es gilt, sich einfach tief fallen zu lassen und diesen magischen Sturm zu genießen. Als Ruhe einkehrt und sich der Nebel langsam lichtet, wacht auch die Masse auf und goutiert die Show mit lautem Applaus.

 

BATUSHKA – Mönche und Musik!

BATUSHKA (Батюшка) mit dem Hermh-Sänger sind mit ihrem Album „Litourgiya“ 2015 aus dem Nichts eine ganz große Nummer geworden. Ihre Musik kann man am besten als sakralen Black Metal beschreiben, mal rasend und fies, zumeist aber hymnisch, ja bombastisch, bestimmt von mehrstimmigen Chorälen und epischen Riffs. Aber BATUSHKA ist eben viel mehr als Musik, es ist Ritual, Aura, Spektakel. Wer sie schon live gesehen oder Videos von Auftritten gesehen hat, der weiß, dass sie keine Konzerte geben, sondern getreu ihrem Album eine streng choreographierte und klar strukturierte Liturgie aufführen. Das alles ist geplant bis ins letzte Detail: Roben, Kerzen, Altar, Verhüllung, Weihrauch, Gesten, Bewegungen, all das folgt strengsten Prinzipien. Spontanität gibt es nicht und so lebt die Musik von der Stimmung, die sie erschafft. Der kann man verfallen (alle um mich herum) – oder eben auch nicht (wir beide von metalglory).
BATUSHKA werden von ihren Landsleuten kräftig abgefeiert und die Stimmung ist weit von religiöser Andächtigkeit entfernt, es wird gebangt, gesungen und gefeiert. Ja, Spaß macht das alles schon und die Inszenierung ist professionell und prächtig. Nur frage ich mich am Ende, wohin die Reise gehen soll, ohne zukünftig in einer konzeptionellen Statik zu verharren. Zumal ganz klar gilt: Einmal ein derartiges Szenario gesehen, und man ist satt.

 

BEHEMOTH – Perfectus in Musica!

Ja, ich weiß es selbst, richtig muss es heißen „In musica perfectum“, aber ich wollte sie doch so gerne, die Hommage an Slayer, schließlich sind Behemoth ganz eng mit den Amis!
Und das vorab: BEHEMOTH liefern genau das ab, nein sie sind genau das, die reine, pure Inkarnation von Perfektion!!! Von Hingabe, Magie, Leidenschaft, Können, Vollendung – Gipfel!

Schon die ersten vier Songs (nach dem Intro „Solve) „Wolves ov Siberia“, „Daimonos“, „Ora Pro Nobis Lucifer“ und „Bartzabel“ belegen eindrucksvoll die Klasse der Band in allen Belangen. Der Sound ist brachial, dabei aber glasklar und transparent. Die Optik ist grandios, das geht von geschminkten Gesichtern über passende Roben bis hin zu phantasievollen Videoprojektionen von Symbolen und Sequenzen aus den bekannten Videos und einem absolut detailreichen Licht. Die vier Herren wirken kraftvoll, selbstbewusst und fokussiert, aus jeder Bewegung ergießt sich eine Mischung aus höchster Professionalität und absoluter Hingabe zum eigenen Tun. Das Schlagzeug treibt die Musik wuchtig, schnell und erbarmungslos vor sich her und kann vor allem in den perkussiven Momenten auch mächtige Stimmungen erzeugen („Blow Your Trumpets Gabriel“, „Lucifer“). Die Riffs kommen hart, kantig, sägend, roh, sie bilden das tonnenschwere Gerüst allen Handelns auf der Bühne. Und da sind ja auch noch all diese schicken Details wie chorale Gesänge oder sich wunderbar symbiotisch in die Lieder einfügende Soli („Ecclesia Diabolica Catholica“, „Lucifer“). Dreh- und Angelpunkt ist selbstverständlich Nergal, der mit seiner düsteren Gesichtsbemalung und seinem von großer innerem Willen geprägten Aura eine fast greifbare Dominanz ausstrahlt. Es macht bei aller Brachialität und rituellen Basis des Schaffens von BEHEMOTH dann eben auch einfach immer wieder Spaß, Nergal bei seinem Agieren zu beobachten. Stimmungsvoller Höhepunkt ist wie so oft das eingängige „Chant For Eschaton 2000“, das live viel härter und strikter rüberkommt als auf Platte und die Masse geschlossen zum Bangen bringt. Nach „We Are The Next 1000 Years“ und „Coagvla“ endet das Konzert. Mit insgesamt sieben Liedern (inkl. des Intros „Solve und des Outros „Coagvla“) vom neuen Album „I Loved You At Your Darkest“ beweisen BEHEMOTH, dass sich dieses stimmig in ihr Gesamtwerk einfügt und auch live das Urteil eines von-allem-mehr-und-besser eindrucksvoll bestätigt.

BEHEMOTH entfesseln mit ihrer Musik und ihren Persönlichkeiten in sich selbst und den Zuschauern etwas, das weit hinaus geht über ein reines Konzert. Das ist viel mehr als Musik, als Kunst. BEHEMOTH gelingt es, eine Verbindung zu ihren Zuhörern aufzubauen, die größer ist als die Musik und der Inhalt. Aus dem Bewegen der Finger über Saiten und Trommelfelle und dem Klang der Stimme wird hier tief in mir und den Umstehenden etwas zum Klingen gebracht, etwas berührt, das so unaussprechlich wie schön ist. Das ist Magie, Seele, Befriedigung. Glück. Und so bleiben viele Menschen auch nach dem Konzert noch stehen, und es dauert eine Weile, bis der Glanz in ihren Augen langsam verglimmt und das Leben uns alle wieder hat.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass es als Heimspiel und letzter Tag gerne mehr hätte sein dürfen als die knapp 85 Minuten. Nicht zu vergessen ist jedoch, dass sie alles auf die Beine stellen mussten, ein wahrer Kraftakt. Insgesamt ist das Merry Christless 2018 in Breslau eine mehr als gelungene Veranstaltung, mit genre-technisch völlig eigenständigen Bands, mit einem rundum gelungenen Sound und Licht für alle Bands (das ist ja leider noch immer keine Selbstverständlichkeit!). Es kann also nur heißen:
Vielen Dank – und ran an die Planung für Merry Christless 2019!

Wir gehen fest davon aus, dass es aufgrund der Resonanz 2019 erneut ein Merry Christless in Polen geben wird. In welcher Form und welchem Umfang, das steht freilich in den Sternen. Es ist jedoch mehr als denkbar – und daher auch eine große Hoffnung! -, dass dieses Konzept auch außerhalb Polens für BEHEMOTH funktionieren könnte, nein würde!

Also: See you next year: MERRY CHRISTLESS!

(Live dabei und daher diesen Bericht verfasst haben: Hendrik und Arhur – Fotos von Arthur/metalglory.com)
…die weiteren Fotos, wie immer in der Galerie:

MERRY CHRISTLESS 2018: BEHEMOTH, Batushka, Bölzer, Imperator, Untervoid in Breslau, 16.12.2018

 

Setlist BEHEMOTH

Intro: Solve
Wolves ov Siberia
Daimonos
Ora Pro Nobis Lucifer
Bartzabel
Ov Fire and the Void
God = Dog
Conquer All
Ecclesia Diabolica Catholica
Decade of Therion
Blow Your Trumpets Gabriel
Slaves Shall Serve
Chant for Eschaton 2000
Lucifer
We Are the Next 1000 Years
Outro: Coagvla

Setlist BATUSHKA
Yekteniya I: Ochishcheniye
Yekteniya II: Blagosloveniye
Yekteniya III: Premudrost‘
Yekteniya IV: Milost‘
Yekteniya V: Svyatyy Vkhod
Yekteniya VI: Upovane
Yekteniya VII: Istina
Yekteniya VIII: Spaseniye

Setlist IMPERATOR
Eternal Might
Abhorrence
Necronomicon
Defunct Dimension
Endless Sacrifice
Ancient Race
External Extinction
Holy War – Swiety Wojna