THEM (USA) – Psychedelic Enigma
Die vor langer Zeit als King Diamond Tribute Act in Amerika gegründete Truppe THEM melden sich mit ihrem neuen
Die vor langer Zeit als King Diamond Tribute Act in Amerika gegründete Truppe THEM melden sich mit ihrem neuen Studioalbum „Psychedelic Enigma“ zurück – veröffentlicht über Steamhammer/SPV – und liefern ein Konzeptalbum, das die langjährige Horror-Erzählung der Band auf die Spitze treibt: schneller, düsterer, erzählerisch fokussierter. Bereits der Opener markiert die Richtung: Hier trifft ein erzählerischer Spannungsbogen auf peitschende Riffs zwischen Speed und Thrash mit starkem Powermetal Einschlag, und ein Sounddesign, das die Schockmomente genauso auskostet wie die leisen, schleichenden Gänsehautpassagen. Kurz: ein ebenso theatralisches wie songorientiertes Statement, das weit über bloße Genre-Zitate hinausgeht – und dabei furioss packt.
Konzept & Dramaturgie: Der große Twist im Spiegelkabinett
Die Handlung von „Psychedelic Enigma“ spannt einen subtilen Suspense-Bogen um einen rätselhaften Protagonisten, dessen Geheimnis sich erst im Finale vollständig offenbart. THEM setzen weniger auf Zwischenstücke und mehr auf Songs, in denen Hinweise, Rückblenden und Wahrnehmungsbrüche ineinandergreifen. Jede Zeile wirkt doppeldeutig, jede Melodie trägt ein Echo in sich – was im Schlussakt wie ein Spiegelkabinett zusammenklappt. Das Resultat ist eine Erzählstruktur, die Hörspaß und Kopfkino gleichermaßen bedient.
Sound & Produktion: Rau, präzise, mit organischer Tiefe
Der Klang von „Psychedelic Enigma“ ist bewusst unpoliert gehalten, ohne an Transparenz zu verlieren. THEM fahren ein thrashiges Grundgerüst, das mit traditionellem Heavy-Riffing, voluminösen Bassläufen und atmosphärischen Keys verzahnt wird. Die Gitarren stehen kantig im Raum, die Drums drücken, ohne die Vocals zu überdecken. Dieser Mix sorgt dafür, dass selbst bei Höchstgeschwindigkeit Details hörbar bleiben – ein Spagat, den nur wenige Bands so atemberauend sauber hinkriegen.
Songlandschaft: Von Speed und Haken bis zur epischen Katharsis
Nach dem instrumentalen Aufschlag „Ad Rem“ lassen THEM mit „Catatonia“ ein. Der Song beschreibt aus der ICH-Perspektive das Erwachen aus einem Albtraum, einer jahrelangen, von Angst, Medikamenten und katatoner Starre geprägten Unwirklichkeit, in der Visionen zu einer spirituellen Erkenntnis führen und man die Kontrolle zurückerobert. Hochgeschwindigkeitsbeben: messerscharfe Twin-Leads, ein Refrain auf die Zuhörer los, der sofort zündet, und Breaks, die wie Falltüren wirken.
„Remember To Die“ schaltet noch einen Gang höher. Inhaltlich geht es bei der Nummer um eine von Eifersucht, Verrat und Kontrollwahn getriebene Eskalation häuslicher Gewalt, die in Entführung, Mord/Brandstiftung und selbstzerstörerischem Nihilismus gipfelt, wobei der aus der EGO-Perspektive geschriebene Track ♰Remember to Die♰ wie ein unheilvolles Mantra innerer Dämonen und eine Warnung vor der endgültigen Überschreitung moralischer Grenzen fungiert – eine Attacke, die an die rasantesten Kapitel der US-Speed/Thrash-Schule erinnert und dennoch dank Hook-Setzung im Ohr bleibt. Der dramaturgische Bogen gewinnt Tiefe mit „Psychonautic State“: vertrackte Metrik, proggige Verschraubungen, ein Song, der das Bewusstsein des Hörers gezielt verknotet und das instrumentale Handwerk exponiert.
In der Mittelachse weiten THEM das Spektrum: „An Evil Deed“ punktet mit thrashigen Haken und einem Bridge-Part, der den Boden unter den Füßen wegzieht. „Silent Room“ arbeitet mit kontrollierter Dynamik und kehrt die psychologische Dimension des Konzepts nach außen. Das fokussierte Schaufenster heißt „The Scarlett Remains“: In unter fünf Minuten verdichtet die Band alle Facetten – von lyrischer Melodik bis zu rasiermesserscharfen Riffs – zu einem Musterbeispiel moderner Songarchitektur.

Für den großen Bogen sorgt das dreiteilige Finale: „Electric Church“, „Echoes Of The Forgotten Realm“ und „Troubled Minds“ bilden eine zusammenhängende Dramaturgie aus Anspannung, Eskalation und Auflösung. Gerade „Troubled Minds“ schwingt zwischen Erzählpassagen und eruptiven Ausbrüchen – ein Paradebeispiel dafür, wie THEM Kopfkino, Emotionalität und Metallurgie vereinen. Den Schlusspunkt setzt „Delirium“ mit cineastischer Textr und einer letzten, vieldeutigen Volte, die das Narrativ noch einmal neu rahmt.
Musikalisches Können: Fünf Stimmen, ein Ziel
KK Fossor führt mit charakterstarker Stimme durch die Story – zwischen erzählerischem Timbre, harschen Schüben und gezielten Höhen. Sein phrasing bleibt kontrolliert, selbst wenn das Tempo explodiert. Auf der Saitenachse liefern Markus Ullrich und Markus Johansson ein Lehrstück in Dualität: tightes Riffdesign, melodische Finesse, Soli mit Struktur statt Schaulauf. Alexander Palma verankert das Gesamtbild mit fokussierten Bassfiguren, die nicht nur stützen, sondern dramaturgische Akzente setzen. Richie Seibel schließlich zeichnet für jene keyboarderischen Schattierungen verantwortlich, die die Horror-Ästhetik unterfüttern – nie zu viel, immer am Song. Dieses Kollektiv agiert sichtbar als Einheit, ohne die individuelle Handschrift der Mitglieder zu verwischen.
Ästhetik & Artwork: Spiegelungen des Ungewissen
Das Artwork von „Psychedelic Enigma“ spielt mit Spiegelungen, Perspektivwechseln und Symbolen, die erst im Kontext des Finales ihre volle Bedeutung entfalten. Es ist mehr als Zierwerk: ein visuelles Narrativ, das die Ambivalenz der Geschichte betont und den cineastischen Charakter des Albums stützt. Genau hier zeigt sich, wie konsequent THEM Musik, Story und Bildsprache verzahnen.
Vergleich & Einordnung: Von Referenzen zur eigenen Sprache
Natürlich blitzen bei THEM Reminiszenzen an theatralische Metal-Erzählkunst auf. Doch „Psychedelic Enigma“ steht nicht im Schatten großer Vorbilder, sondern entwickelt eine eigene, moderne Syntax: weniger Interlude-Füllwerk, mehr Substanz; weniger Kitsch, mehr Kante. Der Mix aus Speed, Thrash und progressiven Wendungen ist hier kein Effektfeuerwerk, sondern Purpose – ein Werkzeugkasten für Spannung, Fallhöhe und Katharsis. Genau dshalb wirken selbst die brutalsten Passagen nicht eindimensional, sondern sinnstiftend – und an den richtigen Stellen geradezu brutahl.
Formate & Nutzenwert: Für Sammler und Vielhörer
„Psychedelic Enigma“ funktioniert im Durchlauf am stärksten: Die Songs stehen für sich, gewinnen aber im Verbund Kontur und Gewicht. Wer tiefer eintauchen will, entdeckt Motive, die zwishen den Stücken wandern, melodische Spiegelungen, rhythmische Zwillingsformeln. Für Vinylisten, Digipak-Fans und Streamer gleichermaßen attraktiv, weil die Produktion sowohl Druck als auch Detailtreue liefert.
Wertung:
7 von 10 Punkten
Fazit:
Ein Triumph der Dynamik
Wenn auch noch etwas Luft nach Oben ist: „Psychedelic Enigma“ ist das bislang geschlossenste, mutigste Kapitel von THEM: kompromisslos im Tempo, reflektiert in der Erzählung, maßgeschneidert in der Produktion. Es ist ein Album, das sofort kickt – und beim Wiederhören wächst. Wer narrativen Metal mit Biss sucht, findet hier ein Werk, das gleichermaßen Herz, Hirn und Nacken adressiert. Pflichtkauf – und ein starkes Ausrufezeichen für THEM bei Steamhammer/SPV.
Trackliste:
01 Ad Rem
02 Catatonia
03 An Evil Deed
04 Reverie
05 Remember To Die
06 Silent Room
07 Psychonautic State
08 The Scarlett Remains
09 Electric Church
10 Echoes Of The Forgotten Realm
11 Troubled Minds
12 Delirium
Credits:
Titel: Psychedelic Enigma
Interpret: THEM
Herkunft: USA & Deutschland
Genre: Thrash Metal | Power Metal
Label: Steamhammer / SPV
Veröffentlichung: 24. Oktober 2025



