THEM – Gitarrist Markus Ullrich im Interview: Wir gehen den kompromisslosen Weg
Mit ihrem neuen Studioalbum Psychedelic Enigma setzen THEM ihre düstere Horror-Saga mit voller Wucht fort. Zwischen rasenden Thrash-Riffs, theatralischer Atmosphäre und erzählerischer Dichte
Mit ihrem neuen Studioalbum Psychedelic Enigma setzen THEM ihre düstere Horror-Saga mit voller Wucht fort. Zwischen rasenden Thrash-Riffs, theatralischer Atmosphäre und erzählerischer Dichte erschaffen die transatlantischen Metal-Visionäre ein Werk, das zugleich Kopfkino und musikalische Grenzerfahrung ist. Gitarrist Markus Ullrich – bekannt aus Lanfear und Septagon – spricht im Interview über Entwicklung, Banddynamik und das kreative Zusammenspiel über Kontinente hinweg. Metalglory berichtete bereits über das Album und hob dessen dramaturgische Vielschichtigkeit hervor – Grund genug, mit Ullrich tiefer in das „psychedelische Rätsel“ einzutauchen.
Hi Markus, danke, dass du dir Zeit für dieses Interview nimmst! Was macht THEM 2025 im Kern aus, wenn du es in wenigen Sätzen beschreiben müsstest?
Ich würde sagen eine stetige Entwicklung und der Mut, Dinge anders zu machen als andere.
Wie hat sich euer Selbstbild von den frühen Tribute-Tagen bis heute verändert?
Keiner außer Troy (Sänger) war Mitglied bei Them, als es sich noch um eine Tribute-Band handelte, es ging daher für alle immer nur um die eigene Musik.
Was verbindet euch als Menschen jenseits der Musik?
Wir sind gerne kreativ und kreative Menschen verbindet Vieles. Wir tauschen uns über Alltägliches aus, aber diskutieren eben schon hauptsächlich über unsere Musik, bzw. was ansteht oder geplant ist. Humor spielt ebenfalls eine sehr große Rolle bei Them.
Der Titel eures neuen Studioalbums lautet „Psychedelic Enigma“, wie ist der Name für das Gesamtwerk entstanden? – Und was ist die Bedeutung dahinter?
Nun ja, der Titel fasst eben die Geschehnisse des Albums ganz gut zusammen. Tatsächlich hatte mir Troy beschrieben, was er sich als Konzept ausgedacht hatte. Nämlich, dass sich eben im Endeffekt viele Erinnerungen im Kopf des Protagonisten abspielen und man auch erst am Ende erfährt, wer denn nun der eigentliche Protagonist ist. Ich fragte ihn dann einfach nur lapidar „…so it’s kind of a psychedelic enigma?“. Er stutze kurz und meinte: „Yes, and I think exactly this should be the album title!“.
Psychedelic Enigma führt eure Geschichte weiter. Welche Songs bilden für dich das Zentrum des Albums?
Da kann ich wirklich keine einzelnen Songs benennen, eher Kapitel. Es beginnt relativ harsch, aggressiv und technisch, danach gibt es einen zumindest etwas ruhigeren, aber auch progressiver anmutenden Mittelteil und alles endet dann eben relativ groß und episch mit der finalen Trilogie. Es gibt für mich wirklich keine einzelnen Songs, die für das Album stehen, zumal eben ständig etwas passiert und auch stilistisch viele Schankungen da sind. „Catatonia“ erzählt das Erwachen aus der Starre.
Welche innere Entscheidung steht im Zentrum dieses Moments und wie spürt man sie in Gesang und Riffs?
Schwierige Frage. Da es sich um den Opener handelt, ist das auch immer die Entscheidung, wie man die Story startet und den Hörer gleich packt. Es sollte also ein gewisser Drive, eine gewisse Eingängigkeit vorherrschen, aber es darf auch nicht zu brav oder 0815 klingen. Ich hatte mich also für dieses abgestoppte Riff entschieden, welches technisch wirkt, aber dennoch nach vorne geht und dann quasi in einem Refrain mit offenen Chords gipfelt.
„Remember To Die“ zeigt Eskalation und Kontrollverlust. Ist euch hier der Schockeffekt wichtiger oder die Einsicht dahinter – und welche Zeile trägt für dich den moralischen Kern?
Ich glaube es ging weniger um den Schockeffekt, als quasi darum, alles in ungeahnte Härtegrade zu treiben. Es sollte einfeutig der schnellste und brutalste Song des Albums werden, aber auch etwas klingen, als würde sich das Stück selbst überholen und gehetzt wirken – was dann quasi den Verlust der genannten Kontrolle symbolisiert. Ich glaube ich kann keine einzelne Zeile nennen, wobei wohl die letzte Strophe die Wichtigste ist, wenn man der Story folgen möchte.
Im Mittelteil – von „Psychonautic State“ bis „The Scarlett Remains“ – spannt ihr einen Bogen. Welches Bild von THEM soll dieser Abschnitt beim ersten Hören auslösen?
Man könnte es die Ruhe vor dem Sturm nennen, was für mich wohl bereits mit „Silent Room“ beginnt, mit „Psychonautic State“ dann eben extrem vertrackt wird und mit „Scarlett“ dann eben auf das große Finale vorbereitet. Vielleicht wäre „Verwirrung“ auch die bessere Umschreibung, zumal der Härtegrad etwas zurückgefahren wird, aber in den Songs extrem viel passiert. Für mich wohl eindeutig der progressive Teil des Albums, bei dem wir dann hoffentlich keine Hörer verlieren 😀
Wie haltet ihr über die Distanz das Tempo in der Zusammenarbeit?
Das ist eigentlich überhaupt kein Problem, auch wenn die Arbeitsweisen unterschiedlich sind. Ich bin idR relativ schnell. Sobald es mal eine grobe Vision gibt, bin ich quasi wie bessessen und arbeite ständig am neuen Material, während Markus Johansson sich etwas mehr Zeit lässt und dann so die letzten musikalischen Tupfer bringt. Troy hat zwar die komplette Story im Kopf und arbeitet für sich dann an den Gesangslinien, benötigt aber einen gewissen Druck. Er bucht absichtlich das Studio für die Vocal Recordings, um in Zugzwang zu stehen und hat den jeweils komplett finalisierten Text dann teilweise erst am Tag der Aufnahme. Es ist einfach seine Art zu arbeiten, während ich am liebsten Monate vorher schon komplett fertig bin. Das ergänzt sich aber ziemlich gut.
Viele Bands geraten ja in endlose Diskussionen, wenn es um den kreativen Prozess geht, wie schaut das bei euch aus?
Das läuft bei uns wirklich extrem harmonisch ab. Jeder ist offen für Input und es fällt wirklich nie auch nur ein lautes Wort. Irgendwie entwickelt sich das alles immer logisch und man muss halt nur aufpassen, dass man die Fäden zusammenhält.
Entwickelt ihr die Songs gemeinsam, oder bringt jeder seine eigenen Ideen mit auf die dann aufgebaut wird?
Die Musik wird entweder von MJ oder von mir geschrieben, meist liegen so 70% bei mir. Wir machen dann wirklich schon rein musikalisch komplette Demos, die sich von den finalen Aufnahmen eigentlich nur wenig unterscheiden. Es ist aber so, dass man eben beim Schreiben schon einen gewissen Handlungsstrang im Kopf hat und weiß, was das Album benötigt. Ich kann das evtl. nicht zu 100% erklären, aber irgendwie weiß einfach jeder, was
in dem Moment benötigt wird. Für die Gesangslinien und Texte zeichnet dann alleine Troy verantwortlich.
Welche Momente haben euch im Studio als Band näher zusammengebracht?
Es gibt keine gemeinsamen Momente im Studio als komplette Band, zumal wir eben auf zwei verschiedenen Kontinenten leben. Es ist zum Zeitpunkt der Aufnahmen also eher dieser tägliche Austausch, der einen zusammenschweißt. Quasi das Gefühl, dass man sich auf die anderen Jungs verlassen kann.
Gab es eine Zeile oder ein Riff, das plötzlich alles auf Kurs gebracht hat?
Nein, das ist eigentlich nie der Fall. Der Startschuss ist meist die innere Vorstellung, wenn man weiß, in welche Richtung es gehen soll. Tatsächlich ist es aber schon so, dass ich bei den meisten Alben zuerst den Opener schreibe und dann evtl. eine grobe Marschrichtung vorgegeben ist.

Was war der schwerste Tag in der Produktion und was habt ihr daraus gelernt?
Tatsächlich sind die schwersten Tage nie während der Produktion, da wir als alte Männer da entsprechend routiniert vorgehen und wissen was Sache ist. Am anstrengendsten ist es eigentlich eher, wenn der Abgabetermin näher rückt, bzw. was halt sonst noch alles angeliefert werden muss. Egal wie gut die Produktion läuft, es wird irgendwie dann doch immer eng. Das können die finalen Masters sein, das Layyout des Booklets, Änderungen am Cover, Fotos die vorbereitet werden müssen. Es sammelt sich halt ruckzuck ein riesiger Rattenschwanz an und man wäre manchmal wirklich froh, wenn man einfach nur Musik machen könnte.
Woran merkt ihr, dass ein Song fertig ist?
Man benötigt Erfahrung und Selbstreflektion, außerdem sollte man als Musiker auch wissen, in welchem Terrain man sich bewegt. Es kann sein, dass ich für einen Song 10 verschiedene Refrains habe, alle sind irgendwie gut, aber es kickt mich noch nicht so richtig. Ich sage immer, ein guter Songwriter muss gute Parts wegwerfen, wenn sie für den jeweiligen Song nicht passen. Ich kriege es oft mit, dass befreundete Songwriter mit aller Gewalt an einer Ursprungsidee festhalten, aber evtl. genau diese Idee den Song ausbremst. Man muss sich den Song immer wieder anhören und auch gedanklich Parts abspulen um zu begreifen, was noch benötigt wird, welche Übergang perfekt ist, oder was eben zur Not weg muss.
Wie viel Instinkt steckt im Songwriting und wie viel Planung?
Ich würde sagen, dass sich das die Waage hält. Egal wie sehr ich einen Song plane, er klingt letzten Endes doch immer wieder ein wenig anders, weil man sich irgendwie selbst leitet und inspiriert. Manchmal führt eines zum anderen und man verliert sich, manchmal kriegt man ziemlich genau das hin, was man eigentlich wollte.
Welche Reaktion aus eurer Community hat euch zuletzt überrascht?
Ich hatte tatsächlich erwartet, dass das Album teilweise übersehen wird, weil es eben ein sehr erwachsenes und forderndes Stück Musik und definitiv nichts für oberflächliche Hörer ist. Es ist mir klar, dass viele Schreiber nun mal eben dutzende von Alben hören müssen und die Zeit dann auch oft nicht da ist, sich einem Album so zu widmen, wie es denn sein müsste. Da gab es natürlich das eine oder andere Beispiel, aber ich bin wirklich extrem positiv überrascht, wie viele Leute sich eben die Zeit genommen haben und auch wirklich viele Kleinigkeiten entdeckt haben. Natürlich gibt es immer wieder Leute, die manche Dinge nicht verstehen, aber das ist mir auch nicht so wichtig, solange sie das eigene Unverständnis nicht auf uns projizieren.
Das Artwork erzählt mit. Welche Idee stand am Anfang der Zusammenarbeit mit dem. Künstler?
Tatsächlich ziemlich genau das, was jetzt zu sehen ist. Der erste Entwurf zeigte vom Motiv nicht exakt das, was Troy sich vorgestellt hatte, war aber so gut, dass wir ihn jetzt quasi gespiegelt und mit ein paar zusätzlichen Gimmicks als Inlay verwendet haben.
Wie wichtig sind euch physische Formate für das Gesamterlebnis, immer noch wichtig?, oder ist das neue Medium des Streamings auch cool?
ich bin absoluter Vinyl-Junkie und das ist uns allen wirklich extrem wichtig. Ich kaufe keine CDs mehr und streame natürlich auch viel, aber nichts geht über das Gefühl, entspannt eine Platte aufzulegen. Mir geht es dabei auch nicht um den Sound, sondern einfach um den Vibe an sich.
Wenn du deinem früheren Ich in der Band einen Satz schicken könntest, welcher wäre es?
„Du wirst zwar eh nicht auf mich hören, aber geh es bitte etwas langsamer an!“
Markus, ich danke dir für das Interview! Möchtest du unseren Lesern noch etwas mitteilen? – Die letzten Worte gehören dir!
Ich danke für die interessanten Fragen. Vielen Dank auch an alle Interessierte fürs Lesen, hört einfach mal rein. Oder nein, hört es bitte durch und folgt uns auf unseren Socal Media-Kanälen 🙂
Im Gespräch mit Markus Ullrich wurde deutlich, wie viel Leidenschaft, Struktur und Teamgeist hinter THEM stecken. Zwischen Disziplin und Kreativität, Distanz und Zusammenhalt entsteht eine Dynamik, die den Kern der Band ausmacht. Psychedelic Enigma ist für THEM nicht nur das nächste Kapitel ihrer Geschichte, sondern auch ein Spiegel ihrer Entwicklung als Musiker und Menschen – ehrlich, fokussiert und mit einem klaren Blick nach vorn.



