Punk’s Voll Fett – Das große TOP 10 Genre-Ranking-Review von Bad Religion bis ZSK
Dieser Hybrid aus Ranking und Kritik versammelt zehn Punk-Alben, die unterschiedliche Stränge derselben Szene abbilden: Horrorpunk mit 80er-Schlagseite gibt’s
Dieser Hybrid aus Ranking und Kritik versammelt zehn Punk-Alben, die unterschiedliche Stränge derselben Szene abbilden: Horrorpunk mit 80er-Schlagseite gibt’s beim Neuen The Other. Punk lebt von Haltung, nicht von Nostalgie – und genau das zeigt dieses Ranking. Von Horrorpunk mit 80er-Atem über kompromisslosen Deutschpunk bis hin zu US-Klassikern kommen hier zehn Alben zusammen, die politische Klarheit, Spielfreude und Szenebewusstsein verbinden. Dabei stehen aktuelle Veröffentlichungen bewusst neben zeitlosen Grundlagen, weil die Gegenwart ohne ihre Vorbilder nicht funktioniert. Wer also wissen will, was 2025 im Punk wirklich knallt, fängt hier an.
Inhaltsverzeichnis (Klickbar)
- ☞ Platz 1 – The Other – Alienated (Fiend Force Records, 31.10.2025)
- ☞ Platz 2 – Die Dorks – Geschäftsmodell Hass (2025)
- ☞ Platz 3 – Vier Meter Hustensaft – Kein Vergeben, Kein Vergessen (2024)
- ☞ Platz 4 – ZSK – Feuer und Papier (2025)
- ☞ Platz 5 – Dead Kennedys – Bedtime for Democracy (1986)
- ☞ Platz 6 – Slime – 3+7! (2025)
- ☞ Platz 7 – WIZO – Nichts wird wieder gut (2023/24)
- ☞ Platz 8 – Pascow – Sieben (27.01.2023)
- ☞ Platz 9 – Feine Sahne Fischfilet – Wir kommen in Frieden (30.05.2025)
- ☞ Platz 10 – Bad Religion – No Control (1989)
Ranking – Von oben nach unten
Platz 1 – The Other – Alienated (Fiend Force Records, 31.10.2025)
The Other kommen nach fünf Jahren Pause so zurück, wie man es sich bei einer der langlebigsten Horrorpunk-Bands Europas insgeheim erhofft hat: stilbewusst, melodieverliebt und mit einer klaren thematischen Klammer. Der Albumtitel Alienated setzt das Thema Entfremdung: von der Gesellschaft, von toxischen Beziehungen, manchmal sogar vom eigenen Körper. Dass die Band damit zu Halloween 2025 aufschlägt und dass Gründungsmitglied Andy Only wieder dabei ist, sind keine Zufälle – es fühlt sich an wie ein bewusst gesetzter Neustart, der die 80er-Wurzeln (Misfits, Filmschocker, VHS-Ästhetik) mit einem modernen, druckvollen Sound verheiratet.
Der Opener Hellfire stellt sofort klar, wie das Album funktionieren soll: eine antreibende, aber nicht überhastete Rhythmusgruppe, Gitarren, die in den Strophen Platz lassen und im Refrain breit auffächern, und Rod Usher, der in seiner markanten Sprech-Gesang-Lage zwischen Bedrohung und Mitgröhlbarkeit pendelt. Direkt danach kommt I Give You Creeps, die Single, die man wirklich nicht mehr aus dem Kopf kriegt. Der Refrain ist so eingängig, dass er wahrscheinlich genau deswegen nicht ins Kitschige kippt: die Melodie ist eher melancholisch als fröhlich, der Text bleibt im Horrorpunk-Kosmos, aber der Chorus arbeitet mit ganz typischen Poppunk-Laufwegen. Das ist einer der Gründe, warum dieses Album ganz nach oben rutscht – es will nicht nur in der Szene funktionieren, es will auf Bühnen, in Playlists, auf Festivals.
Richtig spannend wird es in der Mitte der Platte. Hier Sein ist ein deutschsprachiger Song, der zeigt, dass die Band auf ihrer Muttersprache genauso pointiert erzählen kann. Solche Ausflüge machen viele Bands nur alibimäßig, The Other könnten daraus locker eine komplette EP destillieren. In The End wiederum ist die Ballade des Albums und zugleich einer der emotionalsten Momente im gesamten Horrorpunk-Kosmos 2025: erzählt wird vom Tod, der am Bett sitzt, aber nichts verraten darf – ein Setting, das eigentlich Goth oder Dark Wave schreit, hier aber mit warmen Gitarren und einer sehr kontrollierten Stimme von Rod umgesetzt wird. Danach löst Witch From Outa Space bewusst die Spannung, mit Swing-Anleihen, Rockabilly-Groove und diesem Augenzwinkern, das die Band schon immer gut konnte. Das folgende A Ghost From The 80s holt dann alle zurück, die 80er-Horrorfilme, Neon-Fonts und VHS-Rauschen im Herzen tragen.
Dass das alles zusammenhält, liegt an der Produktion: Die Drums sind organisch, aber aufgeräumt, die Gitarren nicht überkomprimiert, der Bass trägt viel Groove (wichtig für die tanzbaren Parts) und die Vocals stehen samtig vorne. Es ist dieses Gleichgewicht aus Classic-Horror-Aura und heutiger Hörgewohnheit, das Alienated zur derzeit stärksten Horrorpunk-Veröffentlichung macht. Keine Füller, mehrere Live-Hits, eine nachvollziehbare Dramaturgie – mehr kann man an der Spitze kaum verlangen.
Unsere Wertung:
9,1 von 10 Punkten
Unser Fazit:
Triumphale Rückkehr der Kölner Horrorpunkband Fans der Misfits, Balzac und Konsortien: Anhören!
Infobox – The Other – Alienated

Trackliste:
01 Hellfire
02 I Give You Creeps
03 Alienated
04 Hier Sein
05 In The End
06 Witch From Outa Space
07 A Ghost From The 80s
08 Outcast Hearts
09 Blood Moon Over Metropolis
10 Midnight Stalker
11 Graveyard Reprise
12 Last Parade Of The Misfits
Credits:
Titel: Alienated
Interpret: The Other
Herkunft: Deutschland
Genre: Horrorpunk | Punkrock
Label: Fiend Force Records
Veröffentlichung: 31. Oktober 2025
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Platz 2 – Die Dorks – Geschäftsmodell Hass (Demons Run Amok)
Die Dorks melden sich mit „Geschäftsmodell Hass“ eindrucksvoll zurück und bündeln ihre Entwicklung vom ruppigen Punk hin zu einer durchdachten, aber weiter bissigen Mischung aus Metal, Hardcore und Punk. Das Trio um Sängerin und Gitarristin Liz Dork nutzt 42 Minuten, um klare Kante zu zeigen: gegen Alltagsfaschismus, gegen Online-Hass, gegen soziale Kälte – und für Empathie. Songs wie „Niemals fehl am Platz“ und „Unbeliebt“ verbinden melodische Gitarren mit treibenden Rhythmen und prangern gleichzeitig die Verteufelung von Individualität an. In „So stand es geschrieben“ und „Seid gut zueinander“ wird der moralische Anspruch der Band besonders deutlich: Menschlichkeit ist kein Luxus, sondern Pflicht. Die akustischen Stücke „Wer nimmt mir die Angst“ und „Weil die Erde brennt“ zeigen eine berührende, verletzliche Seite der Dorks und thematisieren Verlust, Angst und ökologische Verantwortung. Gleichzeitig vergessen die drei nie ihre Punk-Wurzel: „Nein sagen“ und der Titeltrack schießen scharf gegen Mitläufer, rechte Trolle und jene, die Hass zum Business machen. Auch politisch bleibt es konkret, etwa in „Hinterm Horizont“, wo Liz sehr deutlich eine bestimmte blaue Richtung adressiert. Unterm Strich beweist die Band enormes Songwriting, packende Arrangements und eine Produktion, die Druck und Emotion perfekt ausbalanciert.
Unsere Wertung:
9 von 10 Punkten
Unser Fazit:
Das Album ist nicht nur ihr bisher reifstes, sondern auch ihr notwendigstes – ein leidenschaftlicher Aufruf, Haltung zu zeigen, bevor es zu spät ist. Damit untermauern Die Dorks ihren Status als eine der eigenständigsten Stimmen im deutschsprachigen Metalpunk und liefern ein Album, das Fans wie Kritiker gleichermaßen überzeugen dürfte. Es ist wütend, klug, melodisch, unbequem und dennoch voller Hoffnung heute.
Infobox – Die Dorks – Geschäftsmodell Hass

Trackliste:
01 Geschäftsmodell Hass
02 Unbeliebt
03 Seid gut zueinander
04 Kleinstadtmief
05 Wer nimmt mir die Angst
06 Weil die Erde brennt
07 Nicht meine Revolution
08 Hinterm Horizont
09 Ich bin satt
10 Wir sind nicht das Volk
Credits:
Titel: Geschäftsmodell Hass
Interpret: Die Dorks
Herkunft: Deutschland
Genre: Punk | Hardcore-Punk
Label: Demons Run Amok Entertainment
Veröffentlichung: 22. September 2023
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Platz 3 – Vier Meter Hustensaft – Kein Vergeben, Kein Vergessen (NRT-Records)
Vier Meter Hustensaft sind so ein Fall, bei dem man merkt, dass eine Band auf einmal genau zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist. 2024, in einer Stimmung, in der sich gewisse Vollpfosten wieder in Talkshows und an Stammtischen breit machen, haut ein kleiner Düsseldorfer Punktrupp beim Subkulturlabel NRT-Records ein Miniwerk raus, das einfach alles richtig macht: inhaltlich klar, zornig, aber nicht plump, musikalisch straff und mit exakt der richtigen Portion eigener Handschrift. Das Ding heißt Kein Vergeben, Kein Vergessen und man hört sofort, dass das kein Zufallstitel ist, sondern eine Haltung. Der Opener Kein Vergeben nimmt sich direkt die zu dominanten, fast narzisstisch auftretenden Elternfiguren vor, einfach nur „anders“ tickender Menschen immer noch eine zu große Rolle spielen. Statt Teenie-Trotz gibt es hier eine erwachsene Abrechnung: Du warst zu groß, zu laut, zu bestimmend, aber du bekommst nicht mehr die Macht, meinen weiteren Weg zu definieren.
Der vielleicht wichtigste Song auf der EP ist aber Misch dich ein. Hier wird Homophobie und Transphobie zerpflückt, und zwar nicht theoretisch, sondern mit sehr konkreten Zeilen: die Leute, die von Flaggen getriggert sind, die besessen von der Geschlechtsidentität anderer sind, die jede FLINTA- oder Pride-Sichtbarkeit sofort als persönlichen Angriff werten. Der Text dreht die Erzählung einfach um: nicht queere oder trans Menschen bräuchten Therapie, sondern diejenigen, die sich von gelebter Vielfalt verfolgt fühlen. Das ist genau der Dreh, der politischem Punk 2024 guttut – nicht nur Nein rufen, sondern den Spieß rumdrehen. Auch Nightbeaver und vor allem das Non-Stop-Stereo-Cover Hammerschlageffekt fügen sich da ein: Ersteres erinnert daran, dass man bei allem Rausch auch mal innehalten muss; Letzteres verwandelt sich hier in einen Track über Rauschmittelmissbrauch, aber ohne mit dem moralischen Zeigefinger zu wedeln.
Musikalisch ist das Release fast schon luxuriös für eine Punk-EP. Drummer Lobster und Bassist Andy legen ein sehr solides, teilweise leicht hardcorelastiges Fundament, das immer wieder kleine Haken und Synkopen zulässt. Genau darauf setzt Gitarrist Phil seine sehr spitzen, teilweise richtig virtuosen Gitarrensoli. Dafür, dass wir hier von einer Szene-Veröffentlichung reden, sind die Soli überraschend ambitioniert – stellenweise klingt das mehr nach melodischem Hardcore oder nach frühen Metal-Punk-Hybriden als nach reinem Deutschpunk. Oben drauf thront Yvi mit einer rotzigen, aber kontrollierten Stimme, die ihre FLINTA-Power nicht nur behauptet, sondern auch stimmlich tragen kann. Keine Pressstimme, sondern ein echter, wiedererkennbarer Ton.
Unsere Wertung:
8,6 von 10 Punkten
Unser Fazit:
Dass die Scheibe nach Release bei NRT-Records ständig ausverkauft war, ist damit völlig logisch: Sie ist kurz, sie ist zornig, sie ist inhaltlich klar, sie hat eine starke Frontperson – und sie hat Songs, die live komplett eskalieren werden.
Infobox – Vier Meter Hustensaft – Kein Vergeben, Kein Vergessen

Trackliste:
01 Kein Vergeben
02 Misch dich ein
03: Alle Gegen Einen
04 Nightbeaver
05 Hammerschlageffekt (Non-Stop Stereo Cover)
Credits:
Titel: Kein Vergeben, Kein Vergessen
Künstler: Vier Meter Hustensaft
Genre: Punk | Deutschpunk | Hardcore
Label: NRT-Records
Veröffentlichung: 2024
Herkunft: Düsseldorf
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Platz 4 – ZSK – Feuer und Papier (2025) (Uncle M)
ZSK haben sich über die Jahre zu einem der verlässlichsten deutschsprachigen Punk-Acts entwickelt, wenn es um klare Haltung und gleichzeitig sehr zugängliche Songs geht. Feuer und Papier wirkt 2025 wie die logische Fortsetzung von Ende der Welt und Hasser sind immer da, aber gespiegelt an einer politisch noch aufgeheizteren Gegenwart. Der Albumtitel ist clever: Papier steht für Strukturen, für Vereinbarungen, für das, was auf dem Schreibtisch der Verwaltungen liegt; Feuer steht für Aktion, Aktivismus, Demos, direkte Intervention. Genau dieses Spannungsfeld verhandelt die Platte immer wieder, ohne mit dem Zeigefinger zu nerven.
Der Titelsong Feuer und Papier eröffnet das Album mit einem klassischen ZSK-Riff, das sofort wiedererkennbar ist: schnelle Downstrokes, klare Hook, sofortiger Chorus-Einstieg. Es ist diese Unmittelbarkeit, die ZSK von vielen anderen politischen Punkbands absetzt – sie warten nicht drei Minuten, bis sie sagen, worum es geht. Direkt danach setzen Songs wie Kein Weg zurück und Flächenbrand auf die Live-Tauglichkeit der Chöre. Die Band weiß, dass ihre Fans auf Festivals, auf Clubtouren und bei antifaschistischen Veranstaltungen ihre Refrains brüllen wollen – also bekommen sie Refrains, die dafür gebaut wurden. Die Gitarren bleiben eher amerikanisch geprägt, man hört Skatepunk, man hört 90er-Einflüsse, aber die Produktion ist warm und nicht zu glatt, sodass es nicht nach US-Mainstream klingt.
Sehr gelungen ist der Mittelteil der Platte, in dem ZSK die Perspektive kurz nach innen drehen. Zwischen allen Stühlen beschreibt das Gefühl, in linken Strukturen zu arbeiten, aber am Ende doch immer wieder Burnout, Gegenwind, politische Rückschläge zu kassieren. Genau durch diese kurze Müdigkeit wirkt die zweite Hälfte stärker: Freitag für immer und Im Zweifel links (ein fast schon Hardcore-betonter Song) öffnen das Album wieder und setzen auf Tempo, Gruppenfeeling und klare Kante. Musikalisch ist das alles sehr professionell und auf den Punkt – aber nie so sauber, dass es seinen DIY-Charme verliert.
Wertung:
8,6 von 10 Punkten
Unser Fazit:
Insgesamt ist Feuer und Papier eine Platte, die man 2025 sehr gut an alle weitereichen kann, die fragen, ob es noch politischen Deutschpunk mit Haltung gibt. Ja, gibt es, und ja, der ist inzwischen so gut produziert, dass man ihn auch Leuten vorspielen kann, die sonst eher Alternative oder Skate hören.
Infobox – ZSK – Feuer und Papier

Trackliste:
01 Feuer und Papier
02 Kein Weg zurück
03 Flächenbrand
04 Zwischen allen Stühlen
05 Freitag für immer
06 Im Zweifel links
07 Bleib laut
08 Deine Stadt brennt
09 Freunde sehen anders aus
10 Outro: Papier wird Feuer
Credits:
Titel: Feuer und Papier
Interpret: ZSK
Herkunft: Berlin
Genre: Punkrock | Skatepunk
Label: Uncle M / Eigenvertrieb
Veröffentlichung: 2025
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Platz 5 – Dead Kennedys – Bedtime for Democracy (1986) (Alternative Tentacles)
Dead Kennedys haben mit Bedtime for Democracy eines dieser Alben abgeliefert, bei denen man das Gefühl hat, dass eine Band weiß, dass es womöglich das letzte große Statement in dieser Konstellation sein wird – und deshalb alles auf einmal sagt. 21 Songs in rund 44 Minuten, kaum Verschnaufpausen, dafür Tonnen an politischer, satirischer und kultureller Beobachtung. 1986 war Reagan-Amerika in vollem Schwung, die religiöse Rechte wuchs, der Militarismus wurde wieder sexy verkauft – und genau das kriegen wir hier als punkige Gesamtabrechnung vor den Latz. Jello Biafra singt, keift, nuschelt, karikiert, wechselt ständig Tonlage und Figur, sodass man beim ersten Durchlauf fast überfordert ist. Aber genau das macht den Reiz aus: Bedtime ist nicht nur eine Sammlung von Songs, sondern ein wütender Audio-Pamphlet.
Musikalisch ist das Album härter und schneller als man es mancherorts in Erinnerung hat. Stücke wie Rambozo the Clown, Chickenshit Conformist oder Macho Insecurity sind dicht, voller kleiner Gitarren-Haken, oft mit Surf- oder Twang-Anleihen, die East Bay Ray so eigen gemacht haben. Das Schlagzeug scheppert angenehm roh, die Produktion lässt genug Dreck stehen, damit die Songs nicht zu sauber wirken. Trotzdem ist das Album sehr gezielt arrangiert – Klaus Flouride und D.H. Peligro halten den Laden so straff zusammen, dass auch die schrägeren Ausflüge funktionieren.
Inhaltlich ist das Ding bis heute erhellend. Triumph of the Swill und Anarchy for Sale zeigen, wie sehr die Band früh verstanden hat, dass auch Revolte ein marktfähiges Produkt werden kann. Cesspools in Eden setzt sich mit Umwelt- und Stadtthemen auseinander, ohne trocken zu werden. Und Chickenshit Conformist ist praktisch ein Klassenraum-Text darüber, wie Punk selbst verflacht, wenn man nur noch auf Style achtet. Das können 2025 immer noch viele gebrauchen. Dazu kommt, dass dieses Album der perfekte Soundtrack für jede Punk-Party ist, die aus dem Ruder laufen darf. Oder, wie man es in deinem Briefing so schön gefordert hat: Unsere Wertung:
9,0 von 10 Punkten
Unser Fazit:
Hardcore As Hell!
Auf einer Party werden nur zwei Leute übrig bleiben und die zerpogen dir dann die Bude. Genau so fühlt sich Bedtime an – am Anfang sind noch alle da, am Schluss stehen die Hartgesottenen im Trümmerhaufen und sagen genau deswegen war das hier wichtig.
Infobox – Dead Kennedys – Bedtime for Democracy

Trackliste:
01 Take This Job and Shove It
02 Hop with the Jet Set
03 Dear Abby
04 Rambozo the Clown
05 Fleshdunce
06 The Great Wall
07 Shrink
08 Triumph of the Swill
09 Macho Insecurity
10 I Spy
11 Cesspools in Eden
12 One-Way Ticket to Pluto
13 Do the Slag
14 A Commercial
15 Gone with my Wind
16 Anarchy for Sale
17 Chickenshit Conformist
18 Where Do Ya Draw the Line
19 Potshot Heard Round the World
20 D.M.S.O.
21 Lie Detector
Credits:
Titel: Bedtime for Democracy
Interpret: Dead Kennedys
Herkunft: USA
Genre: Hardcore Punk
Label: Alternative Tentacles
Veröffentlichung: 1986
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Platz 6 – Slime – 3+7! (2025) (Hulk Räckorz)
Slime sind seit jeher dann am besten, wenn sie ihre wütenden, antifaschistischen Texte mit einem klaren, sofort griffbereiten Songwriting verbinden. 3+7! macht genau das. Man hört der Platte an, dass hier eine Band 2025 immer noch genervt davon ist, dass man in Deutschland immer wieder bei denselben Themen anfangen muss: Faschos, Geschichtsvergessenheit, Prekarität, ein Staat, der nicht alle schützt. Aber Slime verpacken es nicht in jammerige Lamentos, sondern in klassisch gebaute, druckvolle Punknummern, die einen sofortigen Call-and-Response erlauben. Schon der Auftakt Armes Deutschland (oder in deiner Version der Singles Monster, Evolution) zeigt: Hier will jemand, dass diese Songs live funktionieren – im AZ genau wie auf dem Festival.
Musikalisch hält sich die Band nah an dem Klang, den sie auf ihren jüngeren Veröffentlichungen angelegt hat: verzerrte, aber nicht matschige Gitarren, ein sehr gegenwärtiges Schlagzeug, das nicht mehr so rumpelig klingt wie in den frühen Achtzigern, und Vocals, die nicht nur brüllen, sondern auch Melodien zulassen. Sein wie die ist ein gutes Beispiel: thematisch gegen Anpassungsdruck, musikalisch aber fast schon hymnisch. Analog und Digital (als Doppelsong oder Back-to-back) greifen das Nostalgie-vs-Gegenwart-Motiv auf, ohne kulturpessimistisch zu werden. Und Alerta 25 verortet die Band klar in der heutigen linken Szene. Dass am Ende ein Titeltrack wie 3+7! steht, der sich selbstironisch auf die Bandgeschichte bezieht und gleichzeitig sagt wir sind immer noch da, ist genau der Move, der alte Fans abholt und neuen Hörerinnen zeigt: Diese Band ist keine bloße Reunion-Maschine.
Wertung
8,4 von 10 Punkten
Unser Fazit:
In der Summe ist 3+7! nicht das wilde, unberechenbare Slime-Album von früher, sondern das reife, punktgenaue Statement einer Band, die ihre Kanäle kennt: Konzerte, Festivals, politische Zusammenhänge. Und weil es das so gut trifft, landet es in diesem Ranking vor vielen anderen 2025er-Deutschpunkalben.
Infobox – Slime – 3+7!

Trackliste:
01 Armes Deutschland
02 Monster
03 Evolution
04 Analog
05 Digital
06 Sein wie die
07 Graue Städte
08 Alerta 25
09 Rostock bleibt rot
10 3+7!
11 Hinterm Deich
12 Wir bleiben laut
Credits:
Titel: 3+7!
Interpret: Slime
Herkunft: Hamburg
Genre: Deutschpunk
Label: Hulk Räckorz / Eigenvertrieb
Veröffentlichung: 8. August 2025
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Platz 7 – WIZO – Nichts wird wieder gut (2024) (Hulk Räckorz)
WIZO gehören zu den wenigen Deutschpunk-Bands, die es geschafft haben, ihren ursprünglichen Spaß- und Abfuck-Faktor zu behalten und trotzdem erwachsener zu schreiben. Nichts wird wieder gut ist genau so ein Spagat-Album. Es kam Ende 2023 digital und Anfang 2024 physisch und hat sich sehr schnell als Tour-Futter für alle möglichen Bühnen angeboten. Schon Grauer Brei macht klar, dass es hier um die Überforderung der Gegenwart geht, aber in einer Sprache, die nicht akademisch ist. Prokrastination wiederum macht aus einer alltäglichen Schwäche einen Mitsing-Hit – das ist sehr typisch WIZO: aus Kleinem was Großes machen.
Der große Pluspunkt der Platte ist aber, dass sie die politischen Linien nicht vergisst. Ganz klar gegen Nazis ist keine Überraschung, aber eine notwendige Standortbestimmung, die man 2024/25 leider immer noch braucht. Gleichzeitig gibt es persönliche, fast schon sentimentale Momente, etwa in Menschensterben oder Alles was zählt, die zeigen, dass diese Band sich nicht nur empört, sondern auch am Leben hängt. Musikalisch gibt es die vertrauten WIZO-Merkmale: melodische Leads, die gern mal an Skatepunk erinnern, eine sehr nach vorne gemischte Stimme von Axel Kurth und Drums, die nie zu fett sind, sondern nach Bandkeller riechen. Dadurch wirkt die Platte nicht überproduziert, sondern so, als könne man sie mit moderner PA überall auf die Bühne kippen.
Unsere Wertung:
8,2 von 10 Punkten
Unser Fazit:
Insgesamt ist das Album nicht ganz so ikonisch wie die Frühwerke, aber es ist eines der rundesten WIZO-Alben der letzten Jahre: kein richtiger Ausfall, mehrere Live-Hits, eine politische Haltung, die nicht in Nostalgie hängen bleibt, und Texte, die nah am Alltag ihrer Hörerinnen sind.
Infobox – WIZO – Nichts wird wieder gut

Trackliste:
01 Grauer Brei
02 Prokrastination
03 Egal was kommt
04 Earlybird
05 Menschensterben
06 Ganz klar gegen Nazis
07 Schlafanzug
08 Alles was zählt
09 Sorry nicht sorry
10 Kein Held
11 Back to the Punk
12 Nichts wird wieder gut
13 Hidden Outro
Credits:
Titel: Nichts wird wieder gut
Interpret: WIZO
Herkunft: Sindelfingen
Genre: Deutschpunk
Label: Hulk Räckorz
Veröffentlichung: digital 05.12.2023, physisch 12.01.2024
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Platz 8 – Pascow – Sieben (27.01.2023) (Rookie Records)
Pascow haben sich in den letzten Jahren zu einer Art Qualitätsmaßstab für modernen, hoch lyrischen, aber immer noch scharfkantigen Punkrock aus Deutschland entwickelt. Sieben ist ein Paradebeispiel dafür. Das Album dauert gerade mal gut eine halbe Stunde, aber es ist vollgepackt mit Bildern, Referenzen, kleinen persönlichen Drehungen und einer Musikalität, die oft näher an Posthardcore als an klassischem Deutschpunk liegt. Songs wie Himmelhunde, Königreiche im Winter oder Grüßt Eve sind verdichtete Kurzgeschichten, die trotzdem sofort mitgesungen werden können – das ist diese Pascow-Magie: künstlerisch sein, ohne verkopft zu wirken.
Die Gitarren arbeiten häufig mit zwei Ebenen: eine legt das Riff, die andere setzt kurze, melodische Linien oder Akkordbrechungen drauf. Dadurch klingen die Tracks immer größer, als sie eigentlich sind. Der Gesang bleibt anklagend, aber nie heiser – eher wie eine sehr bestimmte, sehr wache Erzählstimme. Textlich geht es oft um soziale Zugehörigkeit, um Orte, an die man zurückkehrt, um Menschen, die man verliert, und um ein diffuses Gefühl von Spätmoderne, das hier aber nicht akademisch benannt wird, sondern in sehr konkreten Bildern auftaucht: Stadt, Winter, Jugend, kaputte Beziehungen.
Warum landet Sieben trotzdem nur auf Platz 8? Weil die oben platzierten Alben mehr aktuelle Wucht haben oder historisch so wichtig sind, dass sie nicht tiefer rutschen dürfen.
Unsere Wertung:
8,5 von 10 Punkten
Unser Fazit:
Sieben eines der wenigen deutschsprachigen Punkalben der letzten Jahre, die man Leuten vorspielen kann, die eigentlich eher Turbostaat, Muff Potter oder sogar Tocotronic hören – die Verbindung von Härte und Sprachkunst klappt hier hervorragend.
Infobox – Pascow – Sieben

Trackliste:
01 Himmelhunde
02 Königreiche im Winter
03 Monde
04 Gottes Werk und Teufels Beitrag
05 Freitag die 13.
06 Endlich nur das Wetter
07 Mailand
08 Grüßt Eve
09 Die Unsichtbaren
10 Königin im Dreck
11 Vorwärts immer
12 Für immer für nichts
13 Kein schöner Land
14 Sieben
Credits:
Titel: Sieben
Interpret: Pascow
Herkunft: Rheinland-Pfalz
Genre: Punkrock / moderner Deutschpunk
Label: Rookie Records / Kidnap Music
Veröffentlichung: 27. Januar 2023
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Platz 9 – Feine Sahne Fischfilet – Wir kommen in Frieden (30.05.2025) (Plattenweg)
Feine Sahne Fischfilet haben sich von der kleinen, rotzigen Rostocker Punkband zur großen, mitreißenden und immer noch linken Pop-Punkrock-Kapelle entwickelt. Wir kommen in Frieden führt das fort, was sie auf Alles glänzt begonnen haben: große Refrains, viel Emotion, aber nie ohne politische Verortung. Der Titelsong Wir kommen in Frieden ist prädestiniert für Festivalsommer – offener Groove, Mitsinghook, eine Willkommensgeste an alle, die nicht dazugehören durften. Endlich auf Reise und das humorvollere, aber trotzdem ehrliche Manchmal finde ich dich scheisse (feat. Finch) bringen den persönlichen Aspekt rein: Beziehungen, Freundschaften, Banddynamik. Genau diese persönlichen Facetten machen die politischen Ansagen glaubwürdig.
Musikalisch ist das Album weniger klassischer Punk, mehr eine Mischung aus Indie, Rock, etwas Ska-Groove und hymnischem Songwriting. Die Bläser sind punktuell, nicht überladen, die Gitarren eher warm als aggressiv. Dafür sitzt der Gesang vorne, sehr emotional, sehr offen.
Gesamtwertung:
8,3 von 10 Punkten
Unser Fazit:
Politische Nummern wie Grüße ins Neandertal oder Keiner bleibt allein verankern die Band in der antifaschistischen Szene, sind aber nicht so sperrig, dass man sie nicht im Radio spielen könnte – genau dieser Balanceakt ist ihr Markenzeichen.
Infobox – Feine Sahne Fischfilet – Wir kommen in Frieden

Trackliste:
01 Wir kommen in Frieden
02 Endlich auf Reise
03 Manchmal finde ich dich scheisse (feat. Finch)
04 Komm mit uns
05 Grüße ins Neandertal
06 Stadt ohne Meer
07 Die Unsichtbaren
08 Alles glänzt trotzdem
09 Auf dem Weg in den Norden
10 Eine rauchen wir noch
11 Keiner bleibt allein
12 Letzte Warnung
Credits:
Titel: Wir kommen in Frieden
Interpret: Feine Sahne Fischfilet
Herkunft: Mecklenburg-Vorpommern
Genre: Punkrock | Indie | Polit-Pop
Label: Plattenweg Tonträger
Veröffentlichung: 30. Mai 2025
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Platz 10 – Bad Religion – No Control (1989) (Epitaph Records)
No Control ist eine der großen Blaupausen für alles, was in den 90ern an Melodic Hardcore, Skatepunk und politisch-intellektuellem Punk aus Kalifornien kommen sollte. Bad Religion hatten mit Suffer schon den Weg bereitet, aber 1989 ziehen sie die Zügel noch etwas straffer: 14 Songs in 26 Minuten, keine Umwege, keine Balladen, nur Druck, Hooks und diese legendären mehrstimmigen Oh-Ohs. Der Titeltrack No Control, I Want to Conquer the World oder You sind bis heute Musterbeispiele dafür, wie man komplexe, gesellschaftskritische Texte in ultrakurze, ultraschnelle Songs gießt, ohne dass etwas verloren geht. Greg Graffin singt klar und artikuliert, Brett Gurewitz und Greg Hetson liefern die gezackten Gitarrenwände, Jay Bentley und Peter Finestone treiben alles nach vorne.
Textlich geht es um Individualismus, Religion, gesellschaftliche Kontrolle, Wissenschaft und die Frage, ob der Mensch überhaupt lernfähig ist. Das alles ist natürlich im typischen Bad-Religion-Vokabular gehalten – also viele Begriffe, die man im Wörterbuch nachschlagen könnte. Aber genau das hat die Band groß gemacht: Sie hat Punk intellektualisiert, ohne ihn zu entschärfen.
Warum steht es hier nur auf Platz 10? Nicht, weil es schlechter wäre als vieles danach, sondern weil diese Liste bewusst deutsche und aktuelle Stimmen nach vorne zieht. Trotzdem muss No Control rein, damit klar ist, woher sehr vieles kommt, was heute im Skate- und Melodic-Punk selbstverständlich ist.
Unsere Worte:
9,0 von 10 Punkten
Unser Fazit:
Musikalisch ist No Control deswegen so stark, weil kein Song zu lang ist. Alles ist auf point of impact geschrieben.
Infobox – Bad Religion – No Control

Trackliste:
01 Change of Ideas
02 Big Bang
03 No Control
04 Sometimes I Feel Like
05 Automatic Man
06 I Want to Conquer the World
07 Sanity
08 Henchman
09 It Must Look Pretty Appealing
10 You
11 Progress
12 I Want Something More
13 Anxiety
14 Best for You
Credits:
Titel: No Control
Interpret: Bad Religion
Herkunft: USA
Genre: Melodic Hardcore | Punkrock
Label: Epitaph Records
Veröffentlichung: 2. November 1989
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Schlusswort:
Am Ende bleibt: Diese zehn Platten erzählen dieselbe Geschichte aus unterschiedlichen Jahrzehnten – Punk ist dann am stärksten, wenn er konkret wird. Ob Horrorszenario, Anti-Nazi-Kneipenchöre oder US-Politspalterei: alles zielt darauf, dass Leute sich einmischen, laut werden, Position beziehen. Such dir die Alben raus, die zu deinem Alltag passen, bau dir deine eigene Playlist – aber lass die Wut und den Witz drin.


