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Graspop Metal Meeting 2017 – 16.06. bis 18.06.2017 in Dessel (Belgien)

Das Graspop Metal Meeting in Dessel (Belgien) gehört nun wahrlich nicht erst seit gestern zu den großen Playern im

Graspop Metal Meeting 2017 – 16.06. bis 18.06.2017 in Dessel (Belgien)

Das Graspop Metal Meeting in Dessel (Belgien) gehört nun wahrlich nicht erst seit gestern zu den großen Playern im europäischen Festival-Dschungel. Dieses Jahr bereits mit der zweiundzwanzigsten Edition am Start, hat sich das sympathische Event in Flandern über die Jahre zu einem der wichtigsten und größten Metal-Festivals etabliert, welches immer wieder nicht nur mit einer hervorragenden Mischung der Metal- und Rock-Spielarten, sondern auch zugkräftigen Headlinern aufwartet.

Zugegeben, dieses Jahr sah es im Bereich der großen Namen abseits von dem Über-Headliner RAMMSTEIN etwas mau aus. Doch was DEEP PURPLE und SCORPIONS an Status missen ließen, konnte die hohe Qualität des restlichen Billings locker auffangen.

Der Beginn des viertägigen Spektakels beginnt derweil erst mal nicht ganz so ruhmreich und locker für uns. Nach dem Einchecken und Parken beginnt das große Schleppen: Bei 30 Grad muss das gesammelte Camping-Hab-und-Gut vom Auto zum Campground geschleppt werden. Sackkarren, Bollerwagen und Reisekoffer lassen den insgesamt mindestens 2km langen Weg für die in Scharen zum Gelände strömenden und erfahrenen Graspopper zwar nicht ganz so beschwerlich werden, nach dem Gebückel, den Sicherheitskontrollen am Einlass, dem zugewiesenen Platz, wo man sein Zelt aufschlagen darf und hektischem Aufbau hat man sich Gerstenkaltschale und Dusche allerdings redlich verdient. Auch wenn die Graspopper dieses Prozedere gewohnt sind, lernt man bei solchen Festivals tatsächlich einmal mehr den Vorteil von Veranstaltungen kennen, bei denen direkt am Auto gezeltet werden darf.

Ein großer Vorteil dieses Systems soll aber ebenfalls nicht verschwiegen werden: Da beim Graspop jedes Jahr sehr viele Besucher mit Tagestickets anreisen und keine Autos, Festzelte, Wohnzimmereinrichtungen, Küchenstudios und Wikingerlager den Campground verstopfen, ist ebendieser verhältnismäßig klein und übersichtlich. Das Ergebnis ist ein Fußweg von maximal fünf Minuten zum Festivalgelände. Bei welchem Festival dieser Größe hat man so etwas sonst noch heutzutage?

Der Donnerstag beginnt musikalisch derweil lokalpatriotisch. Auf den drei kleineren Bühnen des Geländes, Jupiler Stage, Metal Dome und Marquee, geben sich fast ausschließlich belgische Bands die Klinke in die Hand. Qualitativ hervorzuheben sind hier die technischen Coreler von BEAR, räudig-eingängiger Stoner Metal von KING HISS, sowie die paganen Death/Black-Metaller von THURISAZ (Achtung, nicht mit den Finnen verwechseln!). In Anbetracht der nächsten frei Tage entscheiden wir uns allerdings früh für einen entspannten Tagesausklang auf dem Campground.

 

Freitag, 16.06.2017

Die Nacht hat etwas Abkühlung gebracht und das Wetter am Freitag entpuppt sich mit ca. 22 Grad und wechselndem Mix aus Sonne und Wolken als perfektes Festival-Wetter. Besser kann es doch gar nicht losgehen! Nach einem schnellen Abstecher zum Metal-Markt und ein paar erfreulichen Vinyl-Fundstücken zu humanen Preisen geht es dann auch ab aufs Gelände. Riesenrad und Auto-Scooter lassen wir links liegen (man mag davon halten, was man will, doch beides gehört einfach zum Graspop dazu) und stürmen direkt in das Marquee, wo DECAPITATED zur Mittagszeit kollektives Magenwummern mit Double-Bass verursachen. Hilft bestimmt bei der Verdauung. Doch auch abseits von medizinischer Klangtherapie, liefern die Polen souverän ab und genießen die ansehnliche Menge, die sich schon so früh vor der Bühne versammelt hat. Highlight bleibt für mich und nicht wenige andere der absolute Hit der Jungs, „Spheres Of Madness“.

Direkt im Anschluss geht es weiter zur Main Stage 2, wo die Kanadier COMEBACK KID gerade starten und dem geneigten Publikum brachialen Hardcore mit kräftiger Metal-Schlagseite ins Gesicht ballern. Ohne Probleme bilden sich da um kurz nach 14 Uhr bereits die ersten Pits vor der Bühne – man merkt: Das Graspop hat Bock!

Wir haben auch Bock, allerdings jetzt erst mal auf KING’S X, die sich etwas mit Comeback Kid überschneiden und im Metal Dome ihren progressiven Rock zum Besten geben. Kenner und Liebhaber wissen die Band mit ihrem charakteristischem Sound zwischen Prog, Grunge und etwas Soul zu schätzen, auf dem GMM sind die drei Herren allerdings etwas auf verlorenem Posten – das Zelt ist erschreckend leer. Die Band lässt sich davon jedoch nicht beirren und wird von einer kleinen, dafür aber umso fanatischeren Schar gebührend abgefeiert. Insgesamt schade für KING’S X, doch trotzdem professionell und sympathisch durchgezogen seitens Ty Tabor und seiner Kollegen.

Während sich auf der Main Stage 1 gerade BLUE ÖYSTER CULT durch ihren Mega-Hit „Don’t Fear The Reaper“ langweilen – ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so eine desinteressierte und blutleere Performance gesehen habe – ziehen wir uns lieber im Wechsel ROTTING CHRIST (Marquee) und PSYCHOTIC WALTZ (Metal Dome) rein. Erstere sind dann auch die erste große Überraschung des Tages für mich: Das große Marquee (Fassungsvermögen vielleicht 5.000 Personen) ist brechend voll und die Griechen werden richtig abgefeiert. Einst irgendwo im Black-Metal-Dunstkreis gestartet, sind ROTTING CHRIST inzwischen eher bei okkultem Düster-Metal angekommen und bringen diesen, nicht zuletzt aufgrund hervorragender Songs, auch ohne Kutten, Weihrauch und Rituale überzeugend auf die Bühne. Das Graspop dankt es ihnen mit angemessener Begeisterung. Stark!

Im Metal Dome kriegen PSYCHOTIC WALTZ leider gerade die Kehrseite der Medaille ab. Das Zelt ist zwar einigermaßen gefüllt, dem Kultstatus dieser Prog-Metal-Ikonen wird das aber nicht wirklich gerecht. Umso schöner, dass sich genau wie bei KING’S X dafür ein umso fanatischerer Haufen an Liebhabern einfindet, die in den Songs richtig aufgehen und ihre Begeisterung lautstark kundtun. Vielleicht lässt dies Devon Graves und seine Mannen über die paar Lücken im Auditorium hinwegsehen, souverän und tight gerät der Auftritt ohnehin.

Weiter geht es wieder im Marquee, wo die Isländer SOLSTAFIR interessanterweise nur ein Stück ihres neuen Albums „Berdreyminn“ zum Besten geben und sich ansonsten auf die Alben „Köld“ und „Ótta“ konzentrieren. Der „Durchbruchs“-Song „Fjara“ darf natürlich auch nicht fehlen und so ist bereits nach sechs Songs der Spuk wieder vorbei. Ein erneut grundsolider Auftritt der vier Herren, der jedoch eher die professionelle Seite der Band, als die leidenschaftliche oder gar magische Seite ihrer Musik in den Vordergrund rückte. Die Menge dankt es ihnen trotzdem mit gebührendem Applaus.

Wir bleiben im Marquee, denn dort lassen AMENRA nun die überbordende Finsternis von der Bühne ins Publikum strömen. Düstere Videoprojektionen, wenig Licht und die übliche Distanz der Musiker zum Publikum (Sänger Colin singt/schreit sich größtenteils mit dem Rücken zum Publikum in Trance) lassen trotz bierseliger Festivalstimmung Negativität und Verzweiflung im Zuhörer aufkommen. Es ist immer wieder ein Wahnsinn, wie intensiv diese Band Emotionen zu vermitteln mag.

Schade, dass allerdings dreißig Minuten später im Metal Dome bereits ALCEST anfangen, weshalb das Finale von AMENRA leider ausfallen muss. Die französischen Post-Black-Metal-Erfinder sind inzwischen bereits so viel um die Welt getourt, dass man ihnen sofort anmerkt, wie selbstverständlich sie aufeinander eingespielt sind. Trotz aller Professionalität kauft man es Frontmann Neige aber sofort ab, wenn er seine Begeisterung für das Festival kund tut und sich fast schüchtern bei den Fans bedankt. Der Schwerpunkt liegt am heutigen Abend auf dem aktuellen Album „Kodama“ (Titeltrack, „Oiseaux de proie“ und „Eclosion“ werden gespielt), der Rest kommt von den anderen beiden Fan-Highlights der Diskographie, „Les voyages de l’âme“ und „Écailles de lune“. Währenddessen bildet sich vor der Bühne tatsächlich ein Mosh-Pit – sieht man auch nicht alle Tage bei ALCEST, doch sehen wir es mal als merkwürdigen Liebesbeweis für einen sehr guten Auftritt der Franzosen an.

Nach so viel Gerenne und Musik muss danach dringend eine Essenspause her. Zu den Tönen des „Final Countdown“ von EUROPE, die gerade auf Main Stage 1 ihr Set beenden, machen wir uns aber wieder auf, um zumindest noch einen Teil von DILLINGER ESCAPE PLAN zu sehen, die derzeit ja auf ihrer Abschieds-Tour unterwegs sind. Ich muss gestehen, dass mich die Amis mit ihrem extrem wilden und sehr technischen Hyperaktivitäts-Metal nie richtig begeistern konnten, doch die Energie, die Band und Fans live miteinander austauschen, ist nicht weniger als bewundernswert. Schade um eine weitere glaubwürdige und authentische Band, die die Segel streicht.

Vor Ende der Dillingers geht es dann aber auch schon wieder rüber zur Main Stage 2, wo nun EMPEROR eine ihrer wenigen Festival-Shows zum zwanzigjährigen Jubiläum ihres Albums „Anthems To The Welkin At Dusk“ zum Besten geben. Glücklicherweise bekommen sie vom Graspop mit einem Timeslot um Halb Elf auch den richtigen Rahmen für solch ein besonderes Ereignis gestellt. Als die ersten Töne des Album-Openers „Al Svartr“ erklingen und die „Hymnen an das Gewölk bei Abenddämmerung“ tatsächlich zu solchen werden – in der Ferne ist noch etwas Licht am Horizont zu sehen, die Sonne ist jedoch bereits untergegangen und es herrscht wundervolles Zwielicht – steht vermutlich nicht nur mir die Gänsepelle hoch. Die Norweger spielen sich also nunmehr mit bestem, druckvollen Sound und unterstützt von etwas Feuer und Bumm-Bumm durch das gesamte, genannte Album. Vor der Bühne findet sich zwar nicht ganz die Menge ein, die diese Band und dieses Album eigentlich verdient hätte, doch ist das Graspop nun mal kein Black-Metal-Festival und man kennt ja die Verbohrtheit der entsprechenden Fans, was solche Veranstaltungen angeht. Von Ihsahns Ansagen, fern ab von bösem Black Metal und satanischem Gepose, hätte dieses Klientel wohl auch nicht viel gehalten.
Als Zugabe werden noch „Curse You All Men!“, „I Am The Black Wizards“ und „Inno A Satana“ hinterhergeschossen und es bleibt am Ende lediglich die Euphorie, diese grandiose Band und dieses perfekte Album noch einmal live erlebt zu haben… und die Frage, warum der Manager die Band eigentlich vor jedem Auftritt noch mal ansagen muss. Die Menge vor der Bühne sollte normalerweise wissen, warum sie dort steht.

Zum Abschluss des Tages kommt nun der Grund, warum sich das Festivalgelände seit dem frühen Nachmittag bereits merklich gefüllt hat und das Publikum vor Main Stage 1 inzwischen fast bis zum Eingang steht: RAMMSTEIN. Da bleibe ich lieber vor Main Stage 2 und etwas weiter hinten stehen und genieße die Show des deutschen Exportschlagers ohne Gedränge, dafür aber trotzdem mit bester Sicht und bombastischem Sound.
Was soll man zu dieser Band noch schreiben? Im Grunde ist jede RAMMSTEIN-Show doch immer die gleiche: Perfekt inszeniert, mit perfektem Sound, beeindruckender Show und sogar Live-Leinwand-Übertragung in Heim-DVD-Qualität. Nun, was sich immer mal wieder ändert ist die Setlist, doch auch an dieser gibt es nicht viel auszusetzen. Klar, bei inzwischen sieben Alben ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass immer zwei oder drei der eigenen Favoriten fehlen, doch die Setlist strotzt nur so vor Hits und Klassikern. Auf die leidige „Stripped“-Coverversion hätte man vielleicht wirklich verzichten können, dafür schlägt die Zugabe mit „Sonne“, „Amerika“ (den Kommentar zum Weltgeschehen lassen sich die Herren natürlich nicht nehmen) und dem unvermeidlichen „Engel“ (ich kann es wirklich nicht mehr hören – geht das nur mir so?) umso mehr beim Publikum ein. Dankeschön und gute Nacht. Ja, Nein, RAMMSTEIN.

 

Samstag, 17.06.2017

Der Samstag präsentiert sich in Punkto Wetter schon etwas wärmer als der Freitag, mit 26 Grad und einem immer noch angenehmen Mix aus Sonne und Wolken geht der Daumen aber erneut nach oben. Zum Beginn unseres Programms geht es mit einem Ohr vorbei an RHAPSODY, die mit Elan und gutem Sound auf ihrer Farewell Tour alte Klassiker des quietschbunten, überkandidelten Power Metal von sich geben. Das ist und bleibt Geschmackssache, doch Ehre, wem Ehre gebührt: Die Italiener verbreiten mittags um Zwei gute Laune und stimmen auf einen tollen Festivaltag ein. Eigentliches Ziel unserer Wanderung sind jedoch BARONESS, die gleichzeitig im Metal Dome spielen und dort einen Siegeszug auf ganzer Linie erleben – das Zelt ist knüppelvoll und die Band wird amtlich abgefeiert. An dem breiten Grinsen und der immensen Spielfreude der Amis merkt man sofort, dass die Band für diese Uhrzeit wohl selber nicht mit solcher Resonanz gerechnet hatte und so darf jede(r) Anwesende ein frühes Highlight und Paradebeispiel für Energieaustausch zwischen Band und Publikum erleben. Bonuspunkte sammelt Frontmann John Baizley dann noch als er sich direkt nach Ende des Auftritts das Shirt vom Leib reißt und ins Publikum spaziert, um Photos mit sich machen zu lassen und Autogramme zu geben. Äußerst sympathisch!

Auf der Main Stage 2 beginnen derweil schon die ARCHITECTS mit ihrem Set, doch das Publikum mag noch nicht so recht in Gang kommen. Frontmann Sam Carter versucht es mit Konfrontationskurs und verteilt solange verbale Arschtritte, bis auch hier die Pits größer werden und reichlich Crowdsurfer Richtung Bühne schwimmen. Die Security regelt auch solche Situationen mit Bravour und stellt sich, wie während des gesamten Festivals, ein hervorragendes Zeugnis für Freundlichkeit und Lockerheit im Umgang mit den Fans aus. Hat man auch nicht auf jedem Festival. Zum Ende des Sets sind die ARCHITECTS dann doch noch zufrieden mit dem Auftritt, für mich persönlich ist mir die Setlist allerdings etwas zu eintönig und es fehlen, für meine Begriffe, einige Highlights. Dass der Sound sicherlich auch noch verbesserungswürdig gewesen wäre, lässt mich nach meinem ersten ARCHITECTS-Auftritt etwas enttäuscht zurück.

Doch nicht lange grübeln, lieber gleich weiter ins Marquee, wo sich das DEVIN TOWNSEND PROJECT zur Show bereitmacht. Der gute Herr Townsend erlebt ja seit Jahren quasi den zweiten Frühling und erntet endlich die Anerkennung für seinen progressiven Metal, die ihm vor 10, 15 Jahren noch größtenteils verwehrt blieb. Die Band präsentiert sich gewohnt tight, mit bombastischen Sound und einer Setlist mit Schwerpunkt auf dem letzten Album „Transcendence“. Doch auch wenige ältere Stücke wie „Deadhead“ und „Kingdom“ finden ihren Weg in das Set. Devin selbst macht wieder den Entertainer und begeistert ein volles (und extrem warmes!) Zelt mit seinen typisch witzig-absurden Ansagen und leider viel zu kurzen 50 Minuten Spielzeit. Man merkt deutlich, dass nicht wenige der Anwesenden sicherlich noch zwei oder drei Songs hätten vertragen können.

Sei’s drum, auf der Main Stage 1 geht es mit gleichsam grandioser Musik weiter. Während die sehr alt und sehr … schwergewichtig gewordenen Cavalera-Brüder auf Main Stage 2 noch ihr „Roots“-Erbe demontieren, bringen wir uns nebenan schon für GOJIRA in Stellung. Die Franzosen sind inzwischen in der Liga der großen Metal-Schwergewichte angekommen und das nicht nur im Sinne der Popularität. Ihr moderner Sound zwischen Death und Prog Metal mit jede Menge Groove bläst dem Publikum die Rübe weg und Hits wie „Silvera“, „Backbone“ und „The Gift Of Guilt“ nötigen geradewegs zu energischem Headbangen. Im Publikum geht dementsprechend die Luzie ab und mit Pits und reichlich Crowdsurfern wird die wilde Energie der Band auf der Bühne doppelt zurückgeworfen. GOJIRA sind und bleiben zweifelsohne eine der besten Live-Bands im Metal.

Wesentlich länger als Gojira sind schon AMORPHIS dabei, die im Anschluss im Marquee zum Tanz laden. Dazu haben sich auch reichlich Fans eingefunden, die von neuen („Under The Red Cloud“) bis alten Stücken („Into Hiding“) und allem dazwischen die Band gebührend abfeiern. Da macht es dann auch nichts, wenn beim vorletzten Stück „Death Of A King“ tatsächlich die PA komplett abschmiert. Nun, die Band spielt unbeirrt weiter (In-Ear-Monitore machen’s möglich – sich selbst können die Jungs wohl weiterhin hören) und nach ca. einer Minute ist die PA auch wieder da. Kurios, so etwas erlebt man auch nicht oft auf einem solch großen Festival. Den Abschluss macht der AMORPHIS-Überhit „House Of Sleep“ und das Publikum verlässt nach ca. 60 Minuten Spielzeit zufrieden das Zelt in Richtung anderer Bühnen…

… oder bleibt gleich im Marquee. Denn auch wenn FIVE FINGER DEATH PUNCH für viele Besucher ein Highlight darstellen, mehr als einen kurzen Blick auf die Amis können wir uns nicht abringen. Zugegeben: Ersatz-Sänger Tommy Vext von Bad Wolves (und ehemals Divine Heresy) macht einen sehr guten Job (wenige Tage davor hatte es bei FFDP mal wieder gekracht und die Band entschied, ihre EU-Tour ohne Frontmann Ivan Moody zu Ende zu spielen) und die Fans feiern die Band trotzdem ordentlich ab. Wir gucken uns aber lieber MINISTRY im Marquee an, die heute einen extrem guten Tag erwischt zu haben scheinen: Al Jourgensen ist gut bei Stimme, der Sound ist Bombe und die Band hat Bock. Knaller wie „Just One Fix“ werden frenetisch von dem vollen Zelt bejubelt und ich persönlich bin froh, dass ich der Band nach dem letzten, für mich extrem öden, Wacken-Auftritt noch mal eine Chance gegeben habe. Hier im Zelt wirken MINISTRY gleich ganz anders als auf einer riesigen Open-Air-Bühne – direkter, fieser, aggressiver. Sauber!

Es folgt der Tages-Headliner DEEP PURPLE auf der Main Stage 1, den wir uns, es sei uns zugestanden, größtenteils zugunsten einer dringend nötigen Sitz- und Essenspause schenken. So viel jedoch: Die alten Herren wirken, im Gegensatz zum letzten Mal als ich sie sah (Wacken 2013), spielfreudig, bei Laune und Ian Gillan trifft die Töne. Insgesamt also durchaus eines Headliners würdig, von dem, was wir sehen und hören – auch wenn heute natürlich merklich weniger Leute vor der Bühne stehen als gestern bei Rammstein.

Das Ende des Tages läuten dann IN FLAMES auf der Main Stage 2 ein. Was man hier allerdings zu sehen bekommt, spottet der glorreichen Vergangenheit dieser Band. Man erinnert sich an Auftritte in Wacken, wo zehntausende Leute bei „Only For The Weak“ zu einem springenden Meer aus Menschen wurden; man erinnert sich an Auftritte mit Crowdsurfern ohne Ende; man erinnert sich an perfekt getimte Pyroshows und tolle Shows. Dass musikalisch seit mindestens zwei Platten bei IN FLAMES kaum mehr etwas Gescheites zu holen ist, spiegelt sich nun jedoch auch auf der Bühne: Nachdem inzwischen drei Mitglieder der jahrelangen Stammbesetzung ausgestiegen sind, findet jetzt nur noch die Björn-und-Anders-Show statt. Die merkwürdige Setlist stellt zwar ein paar ältere Stücke relativ früh in den Auftritt, wenn allerdings Melo-Death-Klassiker wie „Moonshield“ soundtechnisch „modernisiert“ verhunzt werden wie es hier geschieht, kann man eigentlich nur noch die Flucht ergreifen. Kein Wunder, dass der Publikumszuspruch ebenfalls bei weitem nicht an frühere Zeiten heranreicht und für Pyros haben IN FLAMES dieser Tage anscheinend auch keine Kohle mehr. Bloß weg hier.

 

Sonntag, 18.06.2017

Das Wetter am Sonntag wird dann wieder brutal: 30 Grad und durchgehender Sonnenschein prügeln uns früh aus dem Zelt und drängen zur Suche nach Schatten. Der ist es dann auch geschuldet, dass wir leider erst um 15 Uhr zu AIRBOURNE wieder vor der Bühne stehen. Die Australier sind Hitze wie in der prallen Nachmittagssonne aber ja gewöhnt und liefern ein entsprechendes Brett ab. Doch auch das reichlich vor der Bühne angetretene Publikum lässt sich von den brennenden UV-Strahlen nicht davon abhalten, auch am letzten Tag noch mal richtig zu rocken und mehr als nur ein Bier mit Frontmann Joel und seinen Mannen zu leeren. Freundlicherweise werden dafür natürlich auch ein paar Dosen eiskaltes Hopfen von der Band an die Menge verteilt. Was ein Service.

Nach Arschtritt-Rock aus Australien kommt nun nebenan auf der Main Stage 2 Arschritt-Hardcore aus Amerika. HATEBREED beschwören bei immer noch unerträglichen Temperaturen ein Groove-Monster nach dem anderen während die im Pit rudernde Meute mit freiem Oberkörper zeitgleich einen kräftigen Sonnenbrand beschwört. Bei Stampfern wie „Live For This“, „This Is Now“ und „I Will Be Heard“ scheint das aber einfach mal egal zu sein und sowohl Band als auch Fans lassen sich trotz letztem Festival-Tag und des Wetters keine Erschöpfung anmerken.

STEEL PANTHER merkt man natürlich eh niemals Erschöpfung an. Auch wenn die komödiantischen Glam-Metaller mit gerade mal 50 Minuten Spielzeit sicherlich nicht ganz so gewürdigt werden, wie es der große Menge an Zuschauern vor der Bühne angebracht wäre: Die kurze Spielzeit tut dem Set der Amis eigentlich sogar gut. So bekommt man fast nur Hits zu hören und spart sich die zweitklassigen Lückenfüller, die STEEL PANTHER bei inzwischen vier Alben durchaus reichlich im Repertoire haben. Für alberne Ansagen und reichlich Blankziehen der Damen im Publikum bleibt ja eh immer Zeit bei den Amis und so erlebt das Graspop einen kurzen aber auch sehr kurzweiligen Auftritt. Schade nur, dass der Gag von Satchel, er habe direkt vor dem Auftritt backstage noch ordentlich mit Steven Tyler gekokst nach hinten losgeht – stehen AEROSMITH doch gar nicht auf dem Billing. Da hatte wohl jemand noch das Billing vom Hellfest im Kopf, auf dem die Jungs den Tag zuvor gespielt hatten…

Wir springen weiter zwischen den Main Stages hin und her, denn auf Bühne Nummero Zwei treten nun MASTODON zum progressiven Stoner-Metal-Gewitter an. Die Amerikaner haben grade erst mit „Emperor Of Sand“ ein hervorragendes Album voll Ohrwurm-Songs und trotzdem mit progressivem Anspruch abgeliefert und da verwundert es nicht, dass sich der einstündige Auftritt alleine mit sechs Songs auf die aktuelle Platte konzentriert. Für viele Fans ein weiteres Album-Highlight: „Blood Mountain“, welchem die Band mit immerhin drei Tracks ebenfalls reichlich Tribut zollen. Schade, dass weitere großartige Alben nur wenig oder gar nicht repräsentiert werden, doch irgendwo müssen halt Abstriche gemacht werden. Das leider zahlenmäßig dieser Gruppe nicht angemessen vertretene Publikum stört’s derweil nicht und es rockt und schwingt im immer noch brutzelnden Sonnenlicht zu der souveränen Performance MASTODONs in den frühen Abend hinein.

In der Sauna, pardon, im Marquee spielen anschließend ANATHEMA zum melancholischen Prog/Art-Rock-Spektakel auf. Auch wenn man die eher soften und verträumten Klänge der Briten auf einem Metal-Festival inzwischen beinahe als deplatziert empfindet, zeigt der Publikumszuspruch deutlich, dass ANATHEMA auch hier immer noch hingehören und viele Fans aus der härteren Szene rekrutieren. Die Band setzt den Schwerpunkt der Setlist an diesem Abend mutig auf das gerade ganz neu erschienene Album „The Optimist“, nimmt also in Kauf, dass viele der Anwesenden diese neuen Stücke noch nicht kennen. Da passt es irgendwie auch ins Bild, dass generell kaum ältere Songs gespielt werden (das Titelstück der „A Natural Disaster“ von 2003 bleibt der Methusalem im Set), doch das Publikum scheint trotzdem wohlgesinnt und feiert die Band – selbst das Auslassen des Klassikers „Fragile Dreams“ kann daran nichts ändern. Sorge bereitet nur Haupt-Songwriter Danny Cavanagh ein wenig, der nicht gesund aussieht und sich anscheinend nur eingeschränkt bewegen kann. Etwas kryptische Ansagen zu einer „schweren Zeit“, in der er einen Teil der neuen Songs geschrieben hat, bekräftigen das Bild. Hoffentlich geht es bald wieder bergauf mit Herrn Cavanagh.

Zwar kein offizieller Headliner, doch für uns beschließen die grandiosen OPETH danach ebenfalls im Marquee das diesjährige Graspop. Hatte man anfangs noch etwas Bedenken, ob die Schweden in Punkto Publikumszuspruch vielleicht nicht besser auf einer der Hauptbühnen untergebracht seien, lösen sich diese zum Glück schnell in Schall und Rauch auf. Das Marquee ist zwar voll aber nicht überfüllt und die intimere Stimmung als auf den Hauptbühnen kommt Set und Wirkung nur zugute. Mit glasklarem Sound geben OPETH Knaller wie „Deliverance“ und „Ghost of Perdition“ bis zum Titeltrack und „Era“ des neuen Albums „Sorceress“ zum Besten und werden dafür gefeiert. Aber Herr Akerfeldt: Auf der Bühne noch große Töne spucken, dass man sich gleich ja auf jeden Fall die Scorpions ansehen werde, dann aber während deren Auftritt die meiste Zeit im Backstage stehen und Klönen… tztztz.

Die SCORPIONS stehen nämlich in der Tat direkt im Anschluss als Headliner auf der Main Stage 1 und bieten dem geneigten Fan eine amtliche Rock-Show. Offensichtlich ist es hingegen, dass von den geneigten Fans deutlich weniger zugegen sind als am Vortag bei Deep Purple – von Rammstein wollen wir gar nicht erst anfangen. Während Rudolf Schenker wie ein Irrer über die Bühne wetzt, macht Klaus Meine hingegen keine so fitte Figur mehr. Obwohl er immer noch sehr gut bei Stimme ist, erinnern seine Bewegungen hingegen in Steifheit und Vorsicht stark an Ozzy und spiegeln deutlich das Alter des 69-Jährigen. Vielleicht ist es ja wirklich mal Zeit für den Abschied vom Abschied vom Abschied, Jungs. Kann ja ruhig wieder drei Jahre dauern…

Den Rauswerfer machen dann Nightwish mit Panzern, äh, SABATON. Man mag von der Band halten was man will – die Schweden liefern dem Graspop den Tages-Abschluss, den In Flames am Vortag gnadenlos versemmelt haben: Die Fans feiern, auf der Bühne gibt es ordentlich Bumm-Bumm und großes Gepose. Wer es mag, bekommt hier zum Ende des Festivals also einen amtlichen Rausschmeißer serviert.

So endet das Graspop 2017 schließlich mit einem schönen Feuerwerk über den Hauptbühnen und der (natürlich) Ankündigung für die Edition nächstes Jahr. Unterm Strich bleibt damit ein top und abwechslungsreich besetztes Festival mit durchweg professioneller und extrem freundlicher Security, toller Organisation und starkem Sicherheitskonzept. Die nervige Schlepperei vom Parkplatz zum Campground wird durch kurze Laufwege zum Festivalgelände ausgeglichen und obwohl Essens- und Getränkepreise etwas über dem üblichen Schnitt bei Veranstaltungen dieser Größe liegen (z.B. gibt es ein 0,25-Bier für eine Munte, welche 2,85€ entspricht) – erst einmal angekommen, steht dem Metal-Fan nichts mehr im Wege, um eine begeisternde 3-Tages-Sause zu feiern. Das Graspop behauptet damit auch im 22. Jahr seines Bestehens den Ruf als eines der besten großen Metal-Festivals in Europa. Dessel liegt nicht allzu weit von der deutsch-niederländischen Grenze auf Höhe Düsseldorf entfernt und so sollte auch jeder deutsche Metaller das Graspop bei der Sommerplanung unbedingt auf dem Schirm haben!